Noch breiteres Bündnis gegen Diskriminierung!
Obwohl der Anlass für die nun zum vierten Mal stattgefundene Gedenkkundgebung ein todtrauriger im wahrsten Sinn des Wortes ist, strahlt die Veranstaltung immer wieder auch Optimismus, mitunter sogar Fröhlichkeit aus. „ Dikh he na bister!/Schau und vergiss nicht!“ erinnert und mahnt, dass allein in der sogenannten Zigeunernacht vom 2. auf den 3. August 1944 im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz 2.897 Roma und Sinti vergast, in der Nazi-Zeit insgesamt rund eine halbe Million Angehöriger dieser Volksgruppe ermordet worden sind. Aus Österreich wurden übrigens neun von zehn Roma und Sinti in der Zeit des Faschismus umgebracht.
Schwerpunkt des Gedenkens ist aber nicht nur das Andenken an die Ermordeten, sondern vor allem die Verantwortung, heute gegen die noch immer – und in jüngster Zeit sogar wieder verstärkt grassierende Anfeindung, Diskriminierung (Stichwort Italiens Außenminister Salvini), Verfolgung bis hin zur Ermordung von Roma aufzutreten. Und nicht nur gegen diese. Der Bogen, die Brücke zu anderen Verfolgten, Diskriminierten wurde schon in den Vorjahren bei der Kundgebung geschlagen.
Fotostrecke von der Gedenkkundgebung
Jüdische Hochschüler_innenschaft, ÖH und BundesJugendVertretung
Vor knapp mehr als drei Jahren rief das Europäische Parlament mehrheitlich in einer Resolution dazu auf, die noch immer bestehende Diskriminierung dieser Volksgruppe zu beenden und erklärte den 2. August zum internationalen Roma Genocide Memorial Day.
In Wien beschlossen besonders junge Roma-Aktivist_innen, diesen Tag vor allem von jugendlichen und jungen Angehörigen dieser Volksgruppe gestalten zu lassen UND über die eigene Volksgruppe hinauszudenken. So sprach auch diesmal wieder mit Benjamin Hess der Vertreter der Österreichischen Jüdischen Hochschüler_innen und verlangte, dass an die von der Bundesregierung vorgeschlagene Mahnmauer nicht nur die Namen der jüdischen Opfer des Nazi-Regimes geschrieben werden sollten. Auch die Vertreterin der Österreichischen HochschülerInnenschaft, Marita Gasteiger und Derai Al Nuaimi aus dem Vorsitzteam der Bundesjugendvertretung forderten, dass der 2. August ein offizieller Gedenktag der Republik Österreich werden müsste.
Vom offiziellen Österreich kam eine Grußadresse von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und für die Bezirksvorstehung Neubau – im 7. Bezirk liegt der Ceija-Stojka-Platz auf dem die Kundgebung alljährlich stattfindet – sprach Anna Babka.
Starke Worte
Die Kundgebung in Wien – parallel finden Aktionen in vielen Ländern statt, nicht zuletzt auch in Auschwitz – wird immer am Ceija-Stojka-Platz in Wien-Neubau abgehalten. Die Namensgeberin ist die vor fünfeinhalb Jahren verstorbene Künstlerin, die als nur eine von sechs Mitgliedern ihrer 200-köpfigen Familie drei Konzentrationslager (Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen) überlebt hatte. Als eine der ersten machte sie in der Nachkriegszeit früh und öffentlich auf das Schicksal ihrer Volksgruppe aufmerksam – in Büchern, Bildern und vor allem in vielen Workshops mit mehr als 12.000 Jugendlichen. Vier Kopien ihrer beeindruckenden Gemälde und ein paar Dutzend Bilder Jugendlicher aus den Workshops waren im Hof der Pfarre neben dem Platz ausgestellt. Dort sprach und sang unter anderem Nuna , Schwiegertochter der verstorbenen Künstlerin, die jahrzehntelang mit ihr die genannten Workshops durchführte und sie so gut wie kaum jemand kannte. Kaum etwas charakterisiert Ceija Stojkas Größe und Stärke besser als die Zeile in einem Gedicht, zu Ehren Marias, der Mutter Gottes, das Nuna Stojka im Pfarrhof rezitierte. In einer der letzten Zeilen bittet Ceija Stojka sogar um Vergebung für jene, die 1944 Zehntausende ihrer Schwestern und Brüder umgebracht haben.
Fotos aus dem Pfarrhof
Junger Musiker
Ein anderes von Ceija Stojkas Gedichten - „auschwitz ist mein mantel“ - wurde in einer Vertonung des jungen Aktivisten Samuel Mago von diesem – auf Deutsch und Romanes gesungen. Bei der Kundgebung sang er – und begleitete sich selbst dabei auf dem Keyboard – noch weitere Roma-Lieder aus den unterschiedlichsten Gruppen (Lowara, Romungre, Mashara), aber auch das popoläre jiddische Lied von Jack Yellen (A yiddishe Mame/eine jüdische Mutter). Natürlich durfte auch die traditionelle Roma-Hymne Djelem djelem (ich ging, ich ging) nicht fehlen.
Neue Zeitzeug_innen
Für die Erweiterung und neue Perspektiven sorgte die Journalistin, Bloggerin, Aktivistin Gilda Horvath in einer engagierten freien Rede in ihrer bekannt kämpferischen Art: Das Bündnis müsse noch breiter werden – alle, aber wirklich alle Versuche von Anfeindungen, Diskriminierungen jeder Art – auch von einer Gruppe gegenüber anderen – gehören überwunden. Alle gemeinsam, egal welcher Volksgruppe, Religion, sexuellen Orientierung usw. sind gleichzeitig heutige Zeitzeug_innen von Diskriminierung. Als solche tragen sie auch Verantwortung darüber zu reden und dagegen aufzu – und zusammenzustehen. „Der Wahrheit verpflichtet, der Geschichte folgend, den Menschen mahnend, in Liebe!“ zitierte sie Worte, die sie einmal für Ceija Stojka verfasste.
www.romano-centro.org
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