Gibt’s dich überhaupt noch, wenn du nicht ständig postest?

Existierst du überhaupt - fragt die Figur vom Screen die reale auf der Bühne ;)
#wwwonderland zweier Schweizer Gruppen spielen und tanzen Ping-Pong zwischen realer und virtueller Welt.

Von einer Chilli-Challenge über schrägste Bastel-Live-Hacks und Unkaputtbar-Tests bis zu fürs Netz unerlässlichen Beauty-Tipps – Spot, Spot, Spot. Die Szenerie switcht in rasender Geschwindigkeit von einer live auf der Bühne gespielten YouTube-szene zur nächsten. Überspitzt, aber nicht wirklich sehr arg. Die „reale“ Influencer-Szenerie in den sogenannten sozialen Netzwerken im Internet ist nicht wirklich viel anders.

Da kommt eine Art Alice daher, die auch in sein will. Diese Sheryl (benannt nach der Facebook-Co-Geschäftsführerin Sheryl Kara Sandberg) lässt sich einsaugen, wird von einer Kunstfigur von der Projektionswand her jedoch anfangs so richtiggehend ausgelacht. Urpeinlich, richtiggehend dilettantisch seien ihre Versuche. Ja, nachdem sie gar keine Follower, Likes usw. habe, würde sie doch gar nicht existieren...

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Alice (Sheryl) - ihre Kleinheit bringen di eüberlangen Ärmel zum Ausdruck

Und so lässt sich Sheryl mehr und mehr auf das Spiel im Netz ein, kommt in die Fänge der Datenkraken und wird durch einen Staubblaser mit einer Rolle Klopapier von Allgemeinen Geschäftsbedingungen überschwemmt, als sie beim Zustimmen zögert.

Als inhaltlichen Ausgangspunkt für ihr Stück nennen die beiden Schweizer Gruppen „Ritalina“ und „Schlachthaus“ zwei Netz-Phänomene:
* Die „Blue Whale Challenge“ (vor rund zwei Jahren), die ursprünglich als Scherz gedacht war, letztlich aber zumindest zu nachweislich drei Selbstmorden Jugendlicher in Russland geführt hat.

* Und die Sorge, nicht zu existieren, wenn nicht ständig gepostet wird. Unter dem Hashtag #ThisIsWhatAnxietyFeelsLike twitterte einst wer die Nachricht: „Ich schreibe einer Freundin eine WhatsApp-Nachricht und sie antwortet 24 Stunden lang nicht. Ich habe Angst, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben will.“

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In der Überdrehtheit der auftretenden Figuren, die sich mehr als wichtig nehmen, „echte“ Netz-Typ_innen (nur dezent) karikieren, provozieren sie vor allem sehr viele Lacher – und regen so sicher mehr zum Reflektieren an als in der folgenden, doch ein wenig zu lange und zu pädagogischen Episode um die Gefahren von Facebook & Co. Leider zu klischeehaft fällt die Passage übers böse, böse Darknet aus – das in so manchen Teilen der Welt schon heute praktisch die einzige Möglichkeit unzensurierter und gefahrloser Kommunikation eröffnet. Und je mehr die fast schon monopolistischen Datenkraken Überhand nehmen, wird es möglicherweise auch andernorts wichtiger.

Vielleicht hätte weniger Pädagogik und mehr Fortsetzung der ironischen Auseinandersetzung der ersten beiden Drittel auch hier besser getan ;)

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Überschwemmt von AGB

Infos: Was? Wer? Wann? wo?

#wwwonderland
Ritalina & Schlachthaus Theater Bern (Schweiz)
Performance, 50 Minuten, ab 12 J.

Regie, Choreografie, Performance: Sivan Perlstein
Performance: Sebastian Kläy, Suramira Vos
Kostüm, Performance: Ernestyna Orlowska
Musik: Stefan Schischkanov
Video: Joerg Hurschler
Dramaturgie: Emily Magorrian
Licht, Technik: Valerio Rodelli
Produktion: Alma Handschin

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Wann & wo?
Bis 1. März 2019
Dschungel Wien: 1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
www.dschungelwien.at

www.ritalina.org

www.schlachthaus.ch

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YouTube-Teaser zum Stück

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