Wie sicher sind Österreichs Patientinnen und Patienten?

Händedesinfektion: Patienten sollen fragen, ob sie durchgeführt wurde.
Patientensicherheit: Experten sehen Fortschritte, aber auch noch viel Potenzial zur Verbesserung.

„Jede Minute sterben weltweit fünf Menschen wegen fehlerhafter Behandlung“, warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). „In Österreich hat sich auf dem Gebiet der Patientensicherheit in den vergangenen zehn Jahren sehr viel getan, aber noch nicht genug“, sagt Brigitte Ettl (ärztliche Direktorin im Krankenhaus Hietzing und Präsidentin der Plattform Patientensicherheit) zum ersten Welttag der Patientensicherheit am 17. September. Das österreichische Gesundheitssystem sei aber eines der sichersten der Welt.

Legt man internationale Daten auf Österreich um, muss jährlich mit 245.000 Zwischenfällen und 2.900 bis 6.800 Todesfällen in Krankenanstalten gerechnet werden, die mit internen Abläufen zu tun haben. „10 bis 30 Prozent der Spitalsinfektionen wären verhinderbar“, sagt Ettl. „Es muss ein offenes Klima geben, in dem Mitarbeiter sich trauen zu sagen, was passiert ist. Und auch die Mitarbeiter benötigen dann einen Schutz.“

Fehler als Helfer

„Jeder Fehler ist auch ein Helfer“, sagt der Jurist Gerhard Aigner (Institut für Ethik und Recht in der Medizin). Er sehe aber noch einen Nachbesserungsbedarf beim offenen Umgang mit Fehlern. Natürlich sollen Patienten, denen ein Schaden zugefügt wurde, Schadenersatz erhalten. Ein Arbeitgeber solle sich aber nicht durch Regress an einem Mitarbeiter schadlos halten können: „So wird gewährleistet, dass der Sachverhalt aufgeklärt wird und sich Fehler nicht wiederholen.“

Patientensicherheit ist auch eine Frage von ausreichend Personal, betont Ärztekammerchef Thomas Szekeres: „Wir haben zu wenig Personal, das ist ein Faktor, der Fehler begünstigt.“ Die Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden "war längst überfällig und absolut im Sinne der Patientensicherheit", betont Szekeres. Allerdings sei das Personal nicht analog zu den verkürzten Dienstzeiten aufgestockt worden.

Digitale Technik hilft

„Die heutige Medizin ist wie ein hoch wirksames Medikament, viel effektiver als früher, aber auch mit Nebenwirkungen“, zieht Klaus Markstaller (Leiter der Uni-Klinik für Anästhesie , Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie von MedUni / AKH Wien) einen Vergleich. Digitale Technik könne die Patientensicherheit aber deutlich erhöhen – so könnte man nach der Entlassung von der Intensivstation auch auf der Normalstation mit Sensoren Atem-, Herzfrequenz, Sauerstoffsättigung und Temperatur kontrollieren – und damit Verschlechterungen schon im Vorfeld erkennen und gegensteuern. Immerhin 70 Prozent aller Herzstillstände zeigen 24 bis 48 Stunden vorher Veränderungen der Vitalparameter auf. Und generell treten laut Studien 6 bis 8 Stunden vor einem kritischen Ereignis Vorwarnzeichen auf.

MedUni Wien, Uni Wien, TU Wien und weitere Partner wollen mit einem neuen Forschungsinstitut ("Digital Health to Increase Patient Safety") genau jene Möglichkeiten erforschen, die hier einen Beitrag leisten könnten.

Oder die Dienstübergaben: "Früher haben die Ärzte 80 bis 100 Stunden gearbeitet, dadurch kannten Sie die Krankheitsverläufe. Aber solche Arbeitszeiten will niemand", betont Markstaller. Bei den heutigen kürzeren Arbeitszeiten könnte digitale Technik die Übergabe von Arzt zu Arzt erleichtern: "Ein digitales Programm könnte dem übernehmenden Arzt die wichtigsten Punkte zu den Patienten gut aufbereiten und somit Fehlerquellen ausschließen und Zeit sparen helfen."

Sich trauen zu fragen

„Wichtig sind aber auch mündige Patienten, die sich trauen, Fragen zu stellen und so die Sicherheit erhöhen“, betont Ettl. Allerdings: „Davon, dass sie fragen, ,Herr Professor, haben Sie sich Ihre Hände desinfiziert?‘, sind wir noch weit entfernt – aber es wird besser.“

Nähere Informationen zum Patientensicherheitstag gibt es hier.

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