Wie gefährlich Feinstaub tatsächlich ist
3800 Lungenfachärzte hat die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin“ als Mitglieder. Etwas mehr als 100 von ihnen haben sich gegen die aktuellen Grenzwerte für Stickoxide und Feinstaub ausgesprochen – eine ausreichende wissenschaftliche Basis dafür würde fehlen.
Die Folge ist eine Diskussion in Deutschland – wobei die offizielle Position der DGP eine andere ist: „Luftschadstoffe gefährden unsere Gesundheit – besonders die von Kindern, älteren Menschen und Erkrankten.“
Situation in Österreich
„Wir sind überzeugt, dass Feinstaub, ganz gleich aus welcher Quelle, zu Atemwegs- und Lungenerkrankungen führt“, sagt auch Lungenfacharzt Bernd Lamprecht, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP): „Die Diskussion in Deutschland wird aber unverhältnismäßig geführt. Es gibt in Österreich jährlich 150 bis 170 frühzeitige Todesfälle durch die Feinstaubbelastung aus dem Verkehr, vor allem durch Stickoxide und Dieselpartikel. Aber wir haben mehr als 10.000 Todesfälle jährlich durch den Zigarettenrauch.“
Selbstverständlich müsse man weitere Schritte auch gegen den Feinstaub aus dem Verkehr unternehmen: „Das Hauptproblem ist aber ein anderes. Wir haben in Lokalen, in denen geraucht wird, auch in den Nichtraucherbereichen eine Feinstaubbelastung bis zum Fünffachen jener in der Außenluft.“
Bereits eine kurzzeitige erhöhte Feinstaubbelastung – egal ob in einem Lokal oder an einer stark befahrenen Straße – könne zu Entzündungsprozessen in den Atemwegen führen: „Menschen, die an viel befahrenen Straßen leben, haben eine schlechtere Lungengesundheit – unabhängig von anderen Risikofaktoren.“
Eine ungefährliche Feinstaubbelastung gebe es nicht: „Das ist eine schleichende Gefahr.“ Die derzeitigen Grenzwerte seien sicher nicht zu niedrig, aber eben auch nur eine willkürliche Krücke, sagt Lamprecht: „Die WHO tritt für noch deutlich niedrigere Werte ein.“
„Tausende Studien“
„Es gibt tausende Studien, die eine schädliche Wirkung von Feinstaub belegen“, sagt auch der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien. Akut können Husten- und Asthmaanfälle, aber auch Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkte ausgelöst werden. „Langfristige Effekte sind zum Beispiel eine Beeinträchtigung des Lungenwachstums bei Kindern sowie der Gehirnfunktion bei Kindern und auch älteren Menschen.“ Seit 2013 werde die Verschmutzung der Außenluft durch die Weltgesundheitsorganisation als nachweislich krebserregend eingestuft.
Darüber hinaus gebe es immer mehr „wissenschaftliche Evidenz“ für weitere Gesundheitsbeeinträchtigungen. „Im Schnitt verkürzt die Belastung mit Luftschadstoffen in Österreich die Lebenserwartung um zirka acht Monate.“ Der Rückgang der Gesamtbelastung mit Feinstaub seit 2011 sei zwar erfreulich, aber das Problem sei damit nicht gelöst, betont Hutter: „Es gibt nach wie vor viele neuralgische Punkte etwa an viel befahrenen Straßen, wo es zu hohen Feinstaubkonzentrationen kommt.“
Die WHO empfiehlt ein maximales Tagesmittel an Feinstaubbelastung von 50 Mikrogramm/m³. Dieses wurde 2018 laut Umweltbundesamt „an zirka 90 % aller Messstellen überschritten“ (an einem oder mehreren Tagen). An drei Meßstellen in Graz gab es an mehr als 25 Tagen solche Überschreitungen (max. 25 sind laut Immissionsschutzgesetz Luft zulässig) . Der WHO-Richtwert für das Jahresmittel von 20 Mikrogramm/m³ wurde an 40 % der Messstellen überschritten.
Kommentare