Sepsis: Mehr Todesfälle als durch Schlaganfälle oder Herzinfarkte
Sepsis wird oft unterschätzt - und verharmlost. Darauf machen Ärzte anlässlich des Welt-Sepsis-Tages am 13. September aufmerksam. "Die Sepsis ist, ganz anders als oft vermutet, keine seltene Erkrankung, sondern ein weit verbreitetes Gesundheitsproblem mit einer hohen Sterblichkeit", betont Eva Schaden, Stellvertreterin für den Bereich Intensivmedizin der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) und Leiterin einer Intensivstation an der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie, MedUni Wien/AKH Wien. "Generalisierte Infektionen wie die Sepsis und ihre schwerste Form, der septische Schock, sind keine Einzelfälle, sondern Ursache von rund fünf Millionen Todesfällen weltweit. In Europa erkranken pro Jahr etwa eine halbe Million Menschen an Sepsis."
Für Österreich fehlen aussagekräftige Daten, auf Basis der Hochrechnung deutscher Zahlen ist hierzulande von etwa 28.000 Sepsis-Erkrankten und von rund 6.700 Sepsis-bedingten Todesfällen pro Jahr auszugehen. Damit liegt Sepsis unter den Top-Todesursachen in Österreich, noch vor „Volkskrankheiten“ wie Schlaganfall, an dem 2018 laut Statistik Austria 4.569 Menschen verstarben, Herzinfarkt (4.527 Todesfälle), Lungenkrebs (4.050 Todesfälle) oder Unfällen (2.551 Todesfälle).
Schaden: "Diese Zahlen machen die Dimension des Problems klar. Die Sepsis ist eine sehr häufige Todesursache, wobei ältere, multimorbide Menschen, aber auch Säuglinge und Kleinkinder besonders gefährdet sind. Das steht in krassem Widerspruch zur Tatsache, dass die Sepsis häufig als `Blutvergiftung‘ verharmlost und nicht ausreichend ernst genommen wird."
Viele mögliche Ursachen
Entgegen dem weit verbreiteten Irrtum, an einer Sepsis würde man in erster Linie im Spital erkranken, kann die generalisierte Infektion grundsätzlich überall entstehen und vielfältige Ursachen haben, zum Beispiel eine Lungenentzündung, einen Harnwegsinfekt oder eine Wunde. Bis zu zwei Drittel der Infektionen entstehen außerhalb des Krankenhauses. „Unter bestimmten Umständen kann sich aus jeder banalen Infektion eine Sepsis entwickeln,“ so Prof. Schaden. Der geltenden medizinischen Definition zufolge handelt es sich bei der Sepsis um eine lebensbedrohliche Organdysfunktion, deren Ursache eine fehlgeleitete, überschießende Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion ist. Die Sterberate liegt bei etwa 25 Prozent.
Verzögerungen verschlechtern die Chancen
Eines der Probleme bei der Früherkennung der Sepsis sind die zunächst meist unspezifischen Krankheitssymptome, die zu einer Verzögerung der Diagnose führen können. "Je später die korrekte Diagnosestellung erfolgt und eine angemessene Therapie eingeleitet werden kann, desto schlechter sind Heilungs- und Überlebenschancen und desto dramatischer ist der Verlauf. Da kann dann oft auch die moderne Intensivmedizin mit ihren vielen Möglichkeiten die Gesundheit und Lebensqualität Betroffener nicht wieder herstellen. Es zählt also bei Diagnostik und Therapie jede Minute, um Leben zu retten", betont Schaden.
Daher sei es wichtig, so die Expertin, auf breiter Basis Bewusstsein für Alarmsignale der Sepsis zu schaffen, in Spitälern, bei niedergelassenen Behandlern, in Pflegeheimen oder in der 24-Stunden-Pflege ebenso wie bei Angehörigen. Der sprichwörtliche "rote Strich am Arm" ist keineswegs ein Anzeichen für Sepsis. Vielmehr sind es zunächst eher allgemeine Symptome wie Fieber und/oder Schüttelfrost, eine erschwerte, schnelle Atmung oder Verwirrtheit, die im Zusammenhang mit einer Infektion auftreten.
Für eine rasch und einfach durchführbare Ersteinschätzung wird der "Quick-SOFA"-Test empfohlen, der sich auf drei Organsysteme konzentriert: Herz-Kreislaufsystem/Blutdruck, Gehirn/Bewusstsein und Lunge/Atmung.
Globales Gesundheitsproblem
Die ÖGARI ist gemeinsam mit zahlreichen medizinischen Gesellschaften in aller Welt Mitglied der Global Sepsis Alliance (GSA) und der European Sepsis Alliance ( ESA). Die internationalen Aktivitäten zur Aufklärung haben bereits Erfolge gezeigt: So hat die WHO-Generalversammlung die Sepsis als globales Gesundheitsproblem anerkannt und die UN-Mitgliedsstaaten aufgefordert, in der nationalen Gesundheitspolitik der Prävention, Diagnose und medizinischen Behandlung schwerer Infektionen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Im Einklang mit diesem WHO-Beschluss strebt die ÖGARI einen "Nationalen Aktionsplan Sepsis" an, der österreichweit zu mehr Bewusstsein für die Erkrankung, insbesondere auch unter Ersthelfern und Behandlern im niedergelassenen Bereich, und zur Etablierung optimaler Rahmenbedingungen für Diagnose und Management der Sepsis beitragen soll. Dazu gehört auch die Förderung von Forschungsprojekten zum Thema Sepsis.
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