Plazenta essen: Heilmittel oder Humbug?

Die Plazenta, auch Mutterkuchen genannt, ist für die Versorgung des ungeborenen Kindes mit Nährstoffen verantwortlich.
Forscherinnen am deutschen Universitätsklinikum Jena haben sich mit der viel propagierten Wirkung des Plazentaverzehrs beschäftigt.

Roh, getrocknet – als Smoothie oder in Globuli-Form: Der Plazenta – beziehungsweise ihrem Verzehr – werden zahlreiche positive Effekte nachgesagt.

Den Mutterkuchen, wie die Plazenta auch genannt wird, nach der Geburt zu essen, soll die Milchproduktion ankurbeln, Wochenbett-Depressionen vorbeugen und dafür sorgen, dass Mütter schneller wieder fit werden. So wird es jedenfalls in diversen Internetforen propagiert.

Wissenschaftlich nicht belegt

Am deutschen Universitätsklinikum Jena wenden sich Schwangere immer wieder mit Fragen zur heilenden Wirkung der Plazenta an Ärzte und Hebammen. Fest steht: "Alles was im Umlauf ist, ist wissenschaftlich nicht belegt", sagt Tanja Groten, geschäftsführende Oberärztin an der Klinik für Geburtsmedizin. "Es gibt dazu noch kaum wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Studien", ergänzt Biologin Jana Pastuschek.

Groten und Pastuschek gehören zu einem Team von Wissenschaftlerinnen, die der Plazentophagie – so der Fachbegriff für den Verzehr des Mutterkuchens – im Placenta-Labor der Klinik für Geburtsmedizin auf den Grund gehen, um diesem Defizit zu begegnen.

Die 34-jährige Ärztin Sophia Johnson, selbst Mutter von drei Kindern, beschäftigt sich für ihre Promotion unter Betreuung von Laborleiter Udo Markert seit 2014 mit diesem Forschungsthema, praktisch-klinisch unterstützt von Groten.

Neben der Literaturrecherche zum Thema untersuchte Johnson die hormonelle Zusammensetzung der Plazenta, die das Kind im Mutterleib mit Nährstoffen, Vitaminen und Hormonen versorgt. Das etwa 500 Gramm schwere Organ wird nach dem Kind als Nachgeburt geboren und hat in diesem Moment seine Aufgabe erfüllt.

Analyse von sechs Plazenten

Für die Analyse wurden sechs Plazenten von komplikationslosen Geburten, die dem Labor von den Frauen zu Forschungszwecken überlassen wurden, ausgewählt. Um mögliche Risiken des Plazentaverzehrs aufzuspüren, wurden die Organe auch mikrobiologisch auf mögliche bakterielle Verunreinigungen untersucht. Parallel dazu ging es darum, wie sich die Verarbeitung der Plazenta nach traditionellen Methoden – zum Beispiel durch Trocknen oder Pulverisieren – auf die Hormonkonzentration auswirkt. "Wir haben das ausschließlich im Labor untersucht", betont Johnson. Die Frauen selbst verzehrten ihre Plazenta nicht.

"Man weiß, dass die Plazenta eine enorme Menge an unterschiedlichen Hormonen produzieren kann", sagt Johnson. Das Interesse der Forscherinnen konzentrierte sich neben Sexualhormonen wie Östrogen und Progesteron auch auf Hormone, die die Milchbildung fördern und Stressreaktionen des Organismus regulieren, wie etwa Oxytocin. Dieses "Kuschelhormon" steuert den Milchspendereflex, regt die Rückbildung der Gebärmutter an und sorgt dafür, dass zwischen Mutter und Kind eine Bindung entsteht, es soll außerdem stressmindernd und entspannend wirken.

Hormonverlust durch Verarbeitung

Aufschlussreich waren die Messergebnisse beim Vergleich der verschiedenen Verarbeitungsmethoden der Plazenten: Der Hormongehalt sank dabei deutlich. "Beim Verarbeiten gemäß der traditionellen chinesischen Medizin zum Beispiel beträgt der Hormonverlust im Vergleich zum Rohzustand bis zu 99 Prozent", sagt Pastuschek. "Sie sind also faktisch nicht mehr nachweisbar."

Damit stellt sich die Frage, was von dem in Erfahrungsberichten von Frauen geschilderten positiven Effekt durch die Einnahme von Plazentapulver zu halten ist. "Möglicherweise handelt es sich dabei um einen sehr guten Placeboeffekt", vermutet Pastuschek. Wie der Organismus der Frauen die Wirkstoffe aus dem Mutterkuchen aufnimmt, könne in einer Laborstudie nicht geklärt werden.

Angesichts der geringen Zahl von untersuchten Plazenten könne die Forschungsarbeit nur ein erster Schritt sein, betonen die Wissenschaftlerinnen. Eine weitere Doktorarbeit sei daher bereits in Arbeit. "Es ist uns wichtig, Frauen gut und wissenschaftlich fundiert zu dem Thema beraten zu können", begründet Groten, die die Arbeit betreut.

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