Leben gerettet: Erstes Treffen nach Stammzellenspende
„Ich blicke gerade auf das Kitzbüheler Horn, es ist wunderbar“, sagt Werner Kristufek (65), der zurzeit seinen Skiurlaub genießt, am Telefon. Dass der Wiener Unternehmensberater heute wieder seinem Lieblingshobby nachgehen und auf den Tiroler Bergen unterwegs sein kann, ist nicht selbstverständlich. Denn vor einigen Jahren erhielt er eine lebensbedrohliche Diagnose: Akute Leukämie.
Kritische Situation
„Ich bin ein fröhlicher und positiver Mensch, aber diese Diagnose hat mich stark getroffen. Ich bin in ein tiefes Loch gefallen“, erinnert sich Kristufek. Es folgten mehrere Chemozyklen und Komplikationen, wie etwa eine Lungenentzündung. „Ich war einige Male an einem sehr kritischen Punkt.“ Nur dank einer anonymen Stammzellenspende konnte der dreifache Vater schließlich geheilt werden.
Von alldem erfuhr Thomas Posch erst viel später. Der 48-jährige Niederösterreicher hatte sich als Spender registrieren lassen, nachdem ein guter Bekannter aus dem Tennisverein an Leukämie erkrankt und schließlich verstorben war. „Man hat keinen passenden Spender gefunden. Ich begann mich zu informieren und fand heraus, dass so eine Registrierung ganz einfach über das Rote Kreuz funktioniert“, schildert Posch.
Zehn Jahre später erhielt er tatsächlich einen Anruf. „Mir wurde gesagt, dass es eine Übereinstimmung mit einem Patienten gibt. Ob ich immer noch bereit wäre, zu spenden.“ Die Antwort war für den Beamten sofort klar.
Nicht ungefährlich für Patienten
Alle Blutzellen – weiße und rote Blutkörperchen sowie Blutplättchen – stammen von den blutbildenden Stammzellen im Knochenmark ab. Bei einer akuten Leukämie entstehen viele Krebszellen im Knochenmark, die sich unkontrolliert teilen. Sie stören die dortige Produktion gesunder Blutzellen und verdrängen sie allmählich. Eine Spende ist oft die letzte Aussicht auf eine Heilung für betroffene Menschen – so auch bei Werner Kristufek.
„Ich wurde zunächst mit einer sogenannten Konditionierungstherapie vorbereitet“, schildert er. Eine Chemotherapie und eine Ganzkörperbestrahlung sollen alle Krebszellen im Körper vernichten und gleichzeitig das Immunsystem so weit unterdrücken, damit die fremde Stammzellspende später nicht abgestoßen wird. Das ist nicht ungefährlich.
Mögliche Risiken
Drei Risiken bestehen: die Gefahr einer Gesamttoxizität, einer Infektion oder der Graft-versus-Host-Reaktion (gespendete Zellen gehen auf den Körper los).
„Ich habe aber so viele positive Beispiele im Spital miterlebt, sodass ich hoch motiviert war. Mein Arzt hat schon sehr früh zu mir gesagt: Bei Ihnen heißt das Ziel Heilung. Daraus ist ein Mantra entstanden. Ich habe es mir sogar ausgedruckt und aufgehängt. Ich denke, es ist wichtig, dass man als Patient auch selbst mental mitwirkt.“
Eine Spende passiert anonym. Die Anonymität darf nur mehrere Jahre nach erfolgreicher Transplantation und auf Wunsch beider Beteiligter aufgehoben werden.
Der erste Kontakt
Ob sein Engagement tatsächlich etwas bewirkt hat, erfuhr Thomas Posch deshalb erst zwei Jahre nach der Spende. So viel beträgt die gesetzliche Wartefrist, bis der Empfänger erstmals via anonymisierten Brief Kontakt zum Spender aufnehmen darf.
Nach weiteren drei Jahren, dem Einverständnis des Arztes und seines Spenders konnte Werner Kristufek seinen Lebensretter schließlich in die Arme schließen: „Wir haben uns sofort verstanden. Mittlerweile verbindet uns eine Freundschaft, wir kommen auf immer mehr Gemeinsamkeiten drauf.“ So ist auch Thomas Posch dreifacher Vater, begeisterter Sportler und zurzeit mit seiner Familie auf der Piste unterwegs. „Wir schicken einander gegenseitig die Urlaubsfotos.“
Voraussetzung für die erfolgreiche Transplantation ist die Übereinstimmung der Gewebemerkmale. Unter Geschwistern liegt die Wahrscheinlichkeit dafür bei etwa 25 Prozent, bei nicht verwandten Menschen bei 1:500.000. Um die Chance zu erhöhen, ruft das Rote Kreuz zur Registrierung als Stammzellspender auf. Wichtig ist nur, dass Freiwillige völlig gesund, normalgewichtig und zwischen 18 und 45 Jahre alt sind.
Dringender Aufholbedarf
Je mehr Freiwillige sich registrieren, desto größer ist die Chance, dass krebskranken Menschen geholfen werden kann. „In Österreich gibt es einen dringenden Aufholbedarf. Im Vergleich hat Deutschland über hundertmal mehr Stammzellspender. Hinzu kommt, dass viele registrierte Spender in den nächsten zehn Jahren wegfallen werden. Umso wichtiger ist, dass wir Bewusstsein schaffen und neue Stammzellspender finden“, sagt Ursula Kreil, Fachärztin für Transfusionsmedizin beim Roten Kreuz.
Denn 40 Prozent aller in Österreich registrierten Personen sind über 45 Jahre alt, eine Stammzellspende ist aus medizinischen Gründen jedoch nur bis 55 möglich. Und: „Je jünger die Person ist, desto schneller und besser gelingt das Anwachsen des Transplantats.“
Die Stammzellenspende ist nicht zu verwechseln mit der Knochenmarkspende, welche nur noch in seltenen Fällen angewendet wird. Sie läuft wie folgt ab: Zuerst werden aus einem Wangenabstrich die Gewebemerkmale aus der DNA bestimmt (in manchen Fällen, zum Beispiel im Krankenhaus, wird auch Blut abgenommen).
Die Daten werden danach in die weltweite Datenbank mit rund 31 Millionen möglichen Spendern und Spenderinnen aufgenommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass man innerhalb von zehn Jahren in die nähere Auswahl kommt, liegt bei zehn Prozent.
„Werden Sie als Spender für einen Patienten angefordert, werden Sie gefragt, ob Sie nach wie vor zur Verfügung stehen“, erläutert Ursula Kreil. Dann wird Blut abgenommen und gründlich im Labor untersucht, auch Röntgen und Ultraschall werden gemacht.
Ablauf der Spende
Seit einigen Jahren schon ist die sogenannte periphere Blutstammzellenspende üblich. Dabei wird der Person einige Tage vor der tatsächlichen Spende der Wachstumsfaktor G-CSF injiziert, der die Ausschüttung der blutbildenden Zellen in die Blutbahn bewirkt. Dieses Medikament kann grippeähnliche Symptome verursachen, die aber während oder kurz nach der Spende wieder vergehen.
Stammzellenspende war auch Thema bei SchauLeben
Die Stammzellen werden mittels Pherese aus dem Blut gefiltert. Dabei bekommt man im liegenden Zustand Venenzugänge in beide Arme. Aus dem einen Arm wird Blut entnommen und in eine Zentrifuge geleitet, welche die Stammzellen herausfiltert. Anschließend wird das Blut in den Körper zurückgeleitet.
Man kann sich die Situation ähnlich einer Blutspende vorstellen, nur dauert sie länger. „Bei mir hat das Ganze ungefähr fünf Stunden gedauert“, schildert Thomas Posch: „Man kann eigentlich mit geringem Aufwand ein Leben retten.“
Helfen ist einfach
Spender und Spenderinnen im Alter von 18 bis 45 können sich auf www.roteskreuz.at/stammzellen registrieren und erhalten dann Wattestäbchen zum Wangenabstrich und Infomaterial per Post.
Eine Registrierung ist auch direkt an den Universitätskliniken möglich. Informationen finden Sie etwa an der MedUni Wien unter www.stammzellen.cc oder erfahren Sie telefonisch unter 01 40400 - 531501.
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