Eifersucht: Was Sie tun können, wenn Liebe zur Krankheit wird

Früher war der Lippenstift am Hemd ein Hinweis auf Untreue, heute ist dieser oft digitaler.
Eifersucht, ein Gefühl, so alt wie die Menschheit selbst. Was man aber tun, wenn diese krankhafte Züge annimmt?

So gut wie jeder kennt sie: Eifersucht. Sie kann Beziehungen zerstören und Menschen handlungsunfähig machen. Sogar Tiere können eifersüchtig sein, wie ein Experiment an der Universität San Diego mit Hunden zeigte. Was aber tun, wenn die Eifersucht krankhafte Züge annimmt, das eigene Leben und das des Partners bestimmt? Psychiater Harald Oberbauer, leitender Oberarzt an der Universitätsklinik Innsbruck für Psychiatrie I und Leiter der dortigen Eifersuchtssprechstunde, erklärt im Interview ab wann Eifersucht als Krankheit angesehen werden kann und auch, wie die sozialen Medien Vertrauen und Misstrauen beeinflussen.

98 Prozent der Menschen geben an, das Gefühl von Eifersucht zu kennen. Ab wann nimmt Eifersucht denn krankhafte Züge an?

Harald Oberbauer: Eifersucht als solches empfinde ich als gesund und vielleicht manchmal sogar als etwas Beziehungsförderndes, dieses Ein-bisschen-Salz-in-die-Suppe-Streuen. Man muss sich ein ansteigendes Kontinuum vorstellen: Gesunde, beziehungsfördernde Eifersucht kann in die krankhafte Eifersucht gehen. Krankhaft ist es dann, wenn die Lebensqualität des Eifersüchtigen gestört ist, also wenn ich mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren kann und nur am Kontrollieren, am Nachschnüffeln bin, mich die Unsicherheit plagt, ob ich belogen werde. Aber auch, wenn die Lebensqualität des Partners eingeschränkt wird. Wenn das Handy kontrolliert wird, wenngleich man das nicht will. Die Spitze des Eisbergs stellt der Eifersuchtswahn dar, davon sind aber nur wenige Personen betroffen. Bei einem Wahnkranken kann ich mit Erklärungsmodellen nicht viel erreichen. Er ist der subjektiven Überzeugung, dass er betrogen wird. Da können Sie sich als Angehöriger auf den Kopf stellen.

Wie gestaltet sich die Therapie einer krankhaft eifersüchtigen Person?

Die Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Störung. Es muss ein gewisser Nährboden da sein, damit sich eine gesunde Eifersucht in eine krankhafte entwickelt. Diese Grundstörung kann sich unterschiedlich gestalten: Depression, Suchterkrankung – im Regelfall Alkohol – Angststörung, gemindertes Selbstwertgefühl, hirnorganische Störungen wie zum Beispiel beginnende Demenz oder der Zustand nach einer Gehirnhautentzündung. Der Eifersucht kann aber auch ein körperliches Leiden zugrunde liegen, nach dem Motto: Ich habe einen Holzfuß und fühle mich deswegen nicht so begehrenswert wie andere. Bei Männern ist es oftmals auch ein Potenzproblem, wenn sie ,ihren Mann nicht mehr stehen’ können. Auch eine gestörte Kommunikation in der Beziehung oder eine latente, nicht wahrgenommene Homosexualität kann eine Ursache für Eifersucht sein. Das hat Sigmund Freud schon beschrieben: Ich als Mann lasse meine Frau in Gedanken das tun, was ich selbst gern tun würde, aber mir verwehre.

Loving couple holding hands in a field

Ist es zum Betrug gekommen, ist eine Option, Vertrauen wieder aufbauen zu wollen

Spielt auch Verlassensangst eine Rolle?

Absolut. Ich stelle den Patienten die Frage: ,Glauben Sie wirklich, dass Ihre Partnerin oder Ihr Partner Sie mit Lieschen Müller betrügt?’ Dann sagen viele: ,Na eigentlich weiß ich eh, dass mir mein Partner treu ist, aber trotzdem bin ich in dieser ständigen Unsicherheit, es könnte mal was passieren, ich könnte entsorgt werden.’ Das ist die typische Verlassensangst.

Wenn sich der Verdacht, betrogen zu werden, bestätigt – wie kann man wieder Vertrauen zum Partner oder der Partnerin aufbauen?

Auch wenn ich wirklich betrogen werde, muss ich mich fragen, was das mit mir macht. Bin ich so weit, dass ich die Konsequenzen ziehe und mich trenne? Das wäre die pragmatische, harte Lösung. Oder wie kann ich damit umgehen und vielleicht einen Fehltritt meines Partners verzeihen? Da ist es wichtig, den Partner mit hereinzuholen. Diese Sprechstunde, die es hier seit 18 Jahren gibt, stellt eine diagnostische Drehscheibe dar. Patienten kommen zu mir und werden nach dem Vorliegen einer Depression befragt, es wird untersucht, wie Persönlichkeits- und Beziehungsstruktur des Hilfesuchenden ausschauen und ob eine Grundstörung vorliegt. Wenn ja, geht es um die Behandlung dieser. Ich hatte schon sehr viele Patienten, bei denen ohne Alkohol oder Depression das Thema Eifersucht im Idealfall entweder verschwand oder sie mit diesem Thema besser umgehen konnten.

Wer sind die Menschen, die die Eifersuchtsambulanz aufsuchen?

Es geht um Paarbeziehungen, egal welchen Geschlechts. Zu den Ursachen gehört auch, welche Erfahrungen man gemacht hat. Zu mir kommen einerseits sehr viele Patienten, die mehrere eifersüchtige Beziehungen hinter sich haben oder wo diverse Beziehungen aufgrund ihrer Eifersucht gescheitert sind. Andererseits auch solche, die Eifersucht schon im Kindes- und Jugendalter erlebt haben, wenn ein kleines Geschwisterchen nachgekommen ist. Man wird scheinbar seiner Einzigartigkeit beraubt.

Wie hat sich die Eifersucht durch soziale Medien und Smartphones verändert?

Das hat sich sehr verändert. Als ich begonnen habe, hat es weder diese Handys noch die ganzen Online-Datingportale gegeben. Da suchte die Ehefrau noch nach dem Lippenstift am weißen Hemd oder nach dem blonden Haar am Jacket des Mannes. Jetzt ist es so, dass fast jeder Mensch ein Handy hat. Jetzt ist der Klassiker, dass E-Mails gecheckt, Ortungsdienste aktiviert werden. Es ist auch interessant, was ich alles dabei lerne, was mein Handy alles kann (lacht). Das hat sich schon sehr verändert. Die neuen Medien – so toll sie auch sind – bringen uns genau in diesem Bereich auch viel Unheil.

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Online-Dating-Portale schüren Eifersicht und Misstrauen, ist sich der Experte sicher.

Wenn ich in einer Beziehung gar keine Eifersucht empfinde, inwiefern kann das auch ein schlechtes Anzeichen sein?

Dann kann es einfach sein, dass ich eine wirklich gute Beziehung lebe und eine tolle Gesprächskultur mit meinem Partner habe, dass ich ein Vertrauen habe, wo ich nicht das Gefühl habe, dass dieses irgendwann missbraucht wird. Es gibt auch viele solcher Beziehungen, warum soll ich dann eifersüchtig sein.

Eifersucht ist das häufigste Mordmotiv. Welche Rolle spielt Gewalt bei der Eifersucht?

Generell muss man sagen: Es melden sich die Eifersüchtigen selbst in der Sprechstunde. Es muss wirklich eine quälende Symptomatik sein, weil für viele ist der Gang zum Psychiater eine Überwindung. Es melden sich 17- bis 92-Jährige, gleich viele Männer wie Frauen.

Gibt es generell Unterschiede zwischen Männern und Frauen in der Ausprägung der Eifersucht?

Ja, das gibt es schon. Männer neigen eher zu einer Gewalttätigkeit als Frauen, im Sinne von daheim die Frau einsperren, die Frau schlagen, ihr Vorschriften machen. Ich höre dann auch oft, dass Frauen sogar Anziehregeln befolgen müssen. So etwas tun Frauen nicht. Frauen raten Männern eher, nicht dort hinzugehen, wo viele andere Frauen sind, aber Männer werden übergriffiger im Sinne von Verboten und Geboten und neigen tendenziell mehr dazu, aggressiv zu werden – von Schlägen bis zu Totschlag.

Eifersucht: Was Sie tun können, wenn Liebe zur Krankheit wird

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