Andreas Mühlberger von der Universität Regensburg, der seit über 20 Jahren zu Virtual Reality forscht, sieht den Einsatz von VR besonders in der Angsttherapie als effektiv: „Spinnen, Höhenangst, Flugangst: Es geht relativ gut, da eine virtuelle Realität zu schaffen“, sagt er. Auch durch Simulation könnten Angstnetzwerke verändert und eine Phobie geheilt werden.
In dieselbe Kerbe schlägt Johannes Lanzinger: „Es gibt keine besser wissenschaftlich belegte Therapie als die Konfrontationstherapie“, sagt er. Lanzinger ist klinischer- und Gesundheitspsychologe bei Phobius, einem Wiener Zentrum, das sich der Therapie von Angst, Panik und Phobien verschrieben hat. Gemeinsam mit seinem Kollegen Christian Dingemann helfen sie den Menschen nicht nur mit Gesprächstherapien und Entspannungstechniken, sondern setzen auch dort, wo es Sinn macht, gezielt Virtual-Reality-Welten ein.
Die sogenannten VR-Brillen versetzen die Patienten ganz nah zum Quell ihrer Befürchtungen und sollen so zum Therapieerfolg beitragen. „Bis zu der Konfrontation hat der Patient immer Angst vor einer gewissen Situation und vermeidet diese daher nach Möglichkeit“, sagt Lanzinger. So gehen etwa Personen, die eine Spinnenphobie haben, nicht mehr barfuß durch den Garten oder schlafen mit einem Taschentuch über dem Mund, was ihr Leben erschwert und einschränkt. Der Einsatz von VR-Brillen und die Konfrontation sollen diesen Kreislauf von Furcht und Hilflosigkeit durchbrechen.
Entstehung von Angst
Eine Angst vor Spinnen sei in jedem von uns genetisch verankert, meint der Psychologe. So wie vor anderen potenziellen Gefahrenquellen, etwa Blut, Höhe, spitzen Gegenständen und wilden Tieren. So hätten unter anderem Untersuchungen bei Babys gezeigt, dass diese mit Stresssymptomen wie erweiterten Pupillen und erhöhter Körpertemperatur auf Bilder von Spinnen reagieren. Diese Angst sei aber noch lange keine Phobie. „Vier bis sechs Prozent haben eine klinisch relevante Phobie, die schließlich zu panischen Angstreaktionen führt“, sagt Lanzinger. Und die gilt es zu therapieren, um den Patienten eine verbesserte Lebensqualität zu bieten.
Zur Therapie dieser Angststörungen werden Virtual-Reality-Methoden bereits seit 2014 von wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland empfohlen – zum Einsatz kommen diese bei niedergelassenen Psychotherapeuten oder Ärzten aber kaum. Phobius in Wien ist die einzige Einrichtung im deutschsprachigen Raum, die sich auf Angststörungen und Virtual-Reality-Anwendungen spezialisiert hat.
Erfolgsaussichten
„Das Schöne an Angststörungen ist, dass man auch wirklich etwas dagegen tun kann, das meistens funktioniert“, sagt Psychologe Lanzinger. Durch die Therapie hätten die Patienten schnelle Erfolgserlebnisse, es gäbe keine Blackbox wie beispielsweise in der Psychotherapie. Kanadische Psychologen haben in einer Studie gezeigt, dass Virtual Reality bei Patienten mit sozialer Angststörung sogar besser wirkt als eine übliche Verhaltenstherapie. Das fingierte Angstszenario wirke sogar dann, wenn dieses aus Kostengründen nicht besonders realitätsgetreu und eher abstrakt sei. Der Wirkungsmechanismus läuft so, dass Personen mit Angststörung regelmäßig mit ihrer Phobie konfrontiert werden und dadurch neu lernen, dass etwa eine Spinne gar nicht gefährlich ist. „Schlussendlich wird die Situation neu eingeschätzt und das Hirn lernt: Jetzt bin ich zwei Stunden neben der Spinne gesessen und mir ist nichts passiert“, sagt der Experte. Acht bis zehn Sitzungen reichen im Schnitt, um die Angststörung zu überwinden bzw. zu lindern. Einziger Wermutstropfen: Die VR-Brille löst bei circa zehn Prozent der Benutzer die sogenannte „Cybersickness“ aus, die in etwa der Seekrankheit entspricht. Das Risiko dieser ist bei Phobius aber auf ein Minimum begrenzt, da sich Beine und Arme teils mitbewegen.
Zurück in die Realität
Um die virtuelle Welt zum Abschluss wieder mit der realen zu verknüpfen, bieten die Psychologen eine gemeinsame Flugstunde in Kottingbrunn, einen Besuch beim Reptilienhändler ums Eck oder einen Gang auf den Stephansdom an. „Es ist schön, wenn man am Schluss als Beweis zeigen kann, das funktioniert in echt und nicht nur mit Virtual Reality“, sagt Lanzinger. Einer seiner ersten Höhenangstpatienten habe ihm sogar ein Foto von sich am Empire State Building geschickt, eine andere von Gewitterwolken, fotografiert aus der Flugzeugkabine. Lanzinger findet es wichtig, dass die Betroffenen erfahren, wie gut Angststörungen therapierbar sind. „Damit kann man viel anderes auch verhindern, wenn man sie frühzeitig angeht“, meint er.
Derzeit sind die Phobius-Leiter in Kontakt mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, damit sich zukünftig auch die Krankenkassen an den Kosten beteiligen. Dann wäre es möglich, dass noch mehr Menschen ihre Angststörungen mithilfe von modernen Virtual-Reality-Ansätzen bekämpfen.
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