Neue Angebote entlasten überlaufene Kinderambulanzen

Kinderarzt Georg Ebetsberger-Dachs untersucht den siebenjährigen Lenny, der starke Halsschmerzen hat.
Entlastung der Spitalsambulanzen: Notdienste und offene Ordinationen sollen Wartezeiten am Wochenende verkürzen.

Hochrote Wangen hat der 19 Monate alte Liam. Kinderkrankenschwester Maria Löschnig misst im Ohr seine Temperatur: 40 Grad. „Er hatte schon vor einer Woche Bronchitis, jetzt hat er neuerlich Fieber. Ich bin sehr froh, dass ich hierher kommen kann – und nicht lange warten muss“, erzählt seine Mutter Anna Lipsam.

Neue Angebote entlasten überlaufene Kinderambulanzen

Kinderkrankenschwester Maria Löschnig misst die Temperatur von Liam.

Ein Sonntagvormittag in den Weihnachtsferien: Im „KinderNotDienst“ (KiND) im Wiener AKH (auch im Kaiser-Franz-Josef-Spital gibt es eine derartige Einrichtung) hat sich um zehn Uhr vor dem Empfang bereits eine Schlange gebildet. Diese Ordination befindet sich im Gebäude der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, ist aber von der eigentlichen AKH-Kinderambulanz getrennt.

Neue Angebote entlasten überlaufene Kinderambulanzen

Der KinderNotDienst ist an Wochenenden und Feiertagen Anlaufstelle für akut, aber nicht schwer erkrankte Kinder, die keine Spitalsbetreuung brauchen. Getragen wird er von der Wiener Ärztekammer, der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und der Stadt Wien.

„Vorteile für alle“

„Atemwegsinfekte sind derzeit die häufigste Diagnose“, sagt Kinderarzt Georg Ebetsberger-Dachs. Er untersucht gerade den siebenjährigen Lenny, der unter starken Halsschmerzen leidet. Fünf bis sieben Prozent der Kinder überweist er für weiterführende Abklärungen (z. B. großes Blutbild, Röntgen) an die AKH-Kinderambulanz. Wie alle Ärzte, die im KinderNotDienst am Wochenende arbeiten, ist er kein AKH-Kinderarzt, sondern macht die Dienste auf Honorarbasis. „Dieser Notdienst hat Vorteile für alle: Die Kollegen der Uni-Klinik sind entlastet und die Patienten warten kürzer.“

Eineinhalb Stunden später, 11.30 Uhr, in der „Gruppenpraxis DDr. Peter Voitl und Partner“ in Wien-Donaustadt: Sie ist eine der drei an diesem Sonntag in Wien geöffneten Kinderarzt-Ordinationen. „Um neun Uhr haben wir begonnen, bis jetzt waren 37 Eltern mit ihrem Kind beim Anmeldeschalter. Am gestrigen Samstag waren es insgesamt 90 – und das noch ohne Grippewelle.“

Im Vorjahr ein Pilotprojekt an zehn Wochenenden, gibt es dieses Angebot von Stadt Wien, WGKK und Ärztekammer heuer an allen Wochenenden und Feiertagen. Über diese drei Ordinationen hinaus hat am Wochenende als niedergelassene Einrichtung auch das Kindermedizinische Zentrum Augarten geöffnet.

Neue Angebote entlasten überlaufene Kinderambulanzen

Kinderartz Peter Voitl: "Niederschwellige Versorgung"

„Unser 22 Monate alter Alexander hat schon seit vier Tagen Fieber – weil es nicht besser wird, bin ich heute in die Ordination von Dr. Voitl gekommen“, sagt sein Vater Stefan Just. „Ich bin sehr froh, dass diese Ordination am Sonntag offen hat. Ich habe schon einmal viereinhalb Stunden in einer Spitalsambulanz gewartet – mit einem kleinen kranken Kind ist das nicht so spaßig.“

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Sonntags meist geöffnet: Stefan Just mit Alexander vor der Gruppenpraxis DDr. Voitl und Partner.

„Diese Angebote helfen auch, dass sich Spitalsambulanzen auf die Versorgung der schweren Fälle konzentrieren können“, sagt Voitl, Obmann für die Kinderärzte in der Wiener Ärztekammer. Seine Gruppenpraxis mit vier Kinderärzten mit Kassenvertrag, Vertretungsärzten auf Honorarbasis sowie anderen Gesundheitsberufen – etwa Kinderchirurgen, Kinderpsychologen, Diätologen, Logopäden – ist zwar noch nicht von der Rechtsform her, aber de facto bereits ein kinderärztliches Primärversorgungszentrum. „Es gibt auch bei den Kinderärzten einen massiven Ärztemangel. Zehn von 85 Kassenstellen in Wien sind unbesetzt“, sagt Voitl.

Dr. Peter Voitl, Obmann der Wiener Kinderärzte, über das erweiterte Angebot an Wochenenden

Hinzu kommt noch ein weiteres Thema: Die komplexen Fälle nehmen zu. "Heute überleben dank der Fortschritte der Medizin Kinder mit speziellen Herzfehlern und auch Frühgeborene, die vor vielen Jahren nicht überlebensfähig gewesen wären. Und das stellt natürlich an die Nachsorge ganz besondere Anforderungen."

Gleichzeitig lernen angehende Allgemeinmediziner in ihrer Ausbildung nur mehr drei Monate Kinderheilkunde. "Das ist viel zu wenig, um die Komplexität von Frühgeborenen verstehen und versorgen zu können. Das heißt, der Andrang komplizierter Patienten nimmt für uns Kinderärzte zu, weil die Allgemeinmediziner diese Komplexität nicht mehr abdecken können. Gleichzeitig werden wir aber immer weniger."

Lange Öffnungszeiten

„Ein Zentrum wie unseres kommt jenen Kollegen entgegen, die nur Teilzeit arbeiten wollen und können – und bietet den Eltern lange Öffnungszeiten. Gleichzeitig gibt es eine niederschwellige Versorgung auch mit den Leistungen anderer Gesundheitsberufe im Rahmen der Gruppenpraxis. Das ist uns besonders wichtig.“

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Anna Pop mit ihren Töchtern Mirabell (4) und Laura (6).

Anna Pop kommt Sonntagmittag mit ihren Töchtern Laura (6) und Mirabell (4) in die Ordination: Laura leidet an einem Darmvirus, Mirabell an starkem Husten. „Wir sind sehr erleichtert, dass wir hierher kommen konnten – und uns in keine Ambulanz setzen mussten.“

Wien verdoppelt das Kinderärzteangebot am Wochenende

INFO: Adressen der am Wochenende diensthabenden Kinderärzte gibt es u.a. unter www.wgkk.at/kinderarzt sowie beim Ärztefunkdienst 141 und der Gesundheitsberatung 1450. Der KinderNotDienst im AKH und Kaiser-Franz-Josef-Spital ist an Wochenenden und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

Mittwoch: Der Rektor der MedUni Wien, Markus Müller, zu den Gründen des Ärztemangels.

KURIER-Serie: In Österreich gibt es zunehmend Engpässe in der Versorgung der Patienten. Mediziner müssen bis ins hohe Alter arbeiten, weil sie keinen Nachfolger finden. Wo genau die Problemfelder liegen und welche Lösungsansätze es gibt, beleuchten wir in unserer aktuellen Serie „Wo ist der Arzt?“ Alle gesammelten Beiträge finden Sie hier.

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