Täglich geöffnet: Wie fünf Hausärzte ihre Praxen koordinieren
Verschnupfte Kinder und hustende Erwachsene sitzen in Alexanders Moussas Ordination. Das allein ist in dieser Jahreszeit nicht so ungewöhnlich. Wohl aber der Tag: Es ist Feiertag. Doch der Hartberger Arzt behandelt Patienten, als ob es ein gewöhnlicher Mittwoch wäre.
Das funktioniert, weil sich fünf Allgemeinmediziner der oststeirischen Bezirksstadt zusammengeschlossen haben. Alexander Moussa, Reingard Glehr, Maria Seidl, Michael Schrittwieser und Patrick Thurner haben Kassenstellen, sind also GKK-Vertragsärzte. Jeder ist wirtschaftlich eingeständig, doch die fünf haben aufeinander abgestimmte Ordinationszeiten und vertreten einander. Geöffnet ist täglich, auch an Wochenenden und Feiertagen. Wer gerade ordiniert, lesen die Patienten auf der gemeinsamen Visitenkarte der fünf Freunde.
Großes Einzugsgebiet
Dr. Reingard Glehr über die Vorteile des Hausärztenetzwerks für die Ärzte
Seit 2015 tüftelt das Quintett an seinem System. Maria Seidl ist die dienstälteste Medizinerin, Reingard Glehr nicht nur die Jüngste im Team, sondern auch die jüngste Allgemeinmedizinerin mit GKK-Vertrag im Bundesland: Die 29-Jährige übernahm erst im Oktober die Ordination ihres Vaters. „Mein Vater hat eine Riesenfreude gehabt an dem Beruf. Das hat er vorgelebt“, beschreibt Glehr. „Das war eine Riesenmotivation für mich, selbst niedergelassene Ärztin zu werden, trotz der vielen Arbeit.“ Allein im Einzugsgebiet der Stadt leben rund 15.000 potenzielle Patienten; dazu kommen noch jene, die aus dem Bezirk Hartberg-Fürstenfeld einpendeln, weil dort Kassenärzte fehlen. Derzeit sind dort sieben Kassenstellen offen, in der gesamten Steiermark wären 20 Praxen sofort zu vergeben, sechs davon an Fachärzte.
Viel Arbeit, das ist einer der Gründe, auf den der Ärztemangel auf dem Land zurückgeführt wird. Nicht zu Unrecht, erinnert sich Maria Seidl. „Früher bin ich oft jedes Wochenende von Patienten angerufen und rausgeklingelt worden, da war wenig Privatleben möglich. Jetzt ist mein Spruch: Ich habe vier kompetente Kollegen, die können das gleiche wie ich.“ Reingard Glehr kann das nur unterschreiben. „Was viele Jungmediziner von einer Praxis abhält, ist das Gefühl, dass man dann immer da sein muss.“
Daten vernetzt
Dr. Alexander Moussa erklärt das Hausärztenetzwerk im Unterschied zur ELGA.
Nicht gegen-, sondern miteinander arbeiten, das verschrieben sich die fünf Oststeirer deshalb als Rezept. „Viele Ärzte sind aber Individualisten“, überlegt Patrick Thurner. „Da spießt es sich dann oft. Es muss auch von der sozialen Komponente her passen.“ Für die Mediziner rechnet sich die Kooperation, für die Patienten ebenso. „Mein Patient, dein Patient das gibt es bei uns nicht“, betont Alexander Moussa. Jeder Kollege hat seine Stammkunden, aber dank einer eigens für die Hartberger Mediziner konzipierten Computer-Plattform hat jeder von ihnen Zugriff auf die Diagnosen und Verschreibungen des anderen vorausgesetzt, der Patient stimmt der Weitergabe zu.
„Da geht es um relevante Daten für die weiteren Behandlungen“, beschreibt Moussa. Damit sei eine hohe Versorgungssicherheit gegeben. Auch in Vertretungsfällen wisse jeder Kollege Bescheid, ohne dass der Patient Zettel herumträgt oder seine Geschichte erneut erzählen muss.
Das Hartberger Modell könnte jungen Ärzten helfen, sich doch noch für eine Ordination auf dem Land zu begeistern. „Gerade Kollegen in meinem Alter haben extreme Angst, allein alle Verantwortung zu tragen“, weiß Reingard Glehr. „Aber die gegenseitige Bestätigung hilft und bringt auch viel Motivation.“
Lesen Sie am Dienstag: Der Ärztemangel im Spital.
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