"Ich bin ein Schmecker und Riecher"
.
Die österreichische Barszene zählt zu den spannendsten der Welt. Reinhard Pohorec nahm als Österreich-Kandidat an der "World Class" – dem größten Bartender-Wettbewerb der Welt – teil. Der Rookie versteht sich als "Geschichten-Erzähler": Für den Wettbewerb hatte er sich als "Iron Lady" mit Bügeleisen qualifiziert. Trotz all der Kreativität reichte es am Ende nicht aus, er scheiterte an der Endauswahl. Der Sieger wird heute in London gekürt. Im Interview mit dem KURIER verrät Österreichs bester Bartender, was die Barszene mit der Gastronomie gemeinsam hat.
KURIER: Sie haben es nicht unter die besten 16 der Welt geschafft, sind Sie dennoch zufrieden?Reinhard Pohorec: Ja, es lief alles gut. Aber die anderen, von denen viele meine Bekannte und Freunde sind, waren offenbar besser. Wir waren 49 Kandidaten aus 49 Ländern. Fünf Tage lang mussten wir in verschiedenen Challenges vor einer hochkarätigen Jury zeigen, was wir können. Pro Challenge wurden Punkte vergeben. Am Ende gewinnt schließlich der Kandidat mit den meisten Punkten.
Hatten Sie zitternde Hände beim Einschenken? Adrenalin ist bei so einem Wettbewerb auf jeden Fall im Spiel.
Nehmen Sie oft an Wettbewerben teil? Die "World Class" ist nicht nur ein Wettbewerb, es ist vor allem ein Austausch. Man erfährt von internationalen Trends und kommt auf Ideen.
Die erste Challenge hieß "Sensory" (Sensorik), was haben Sie sich dafür einfallen lassen?Wir sind in Schottland, es geht also um Whisky. Ich habe Singleton Whisky, dazu selbst gemachten Algen- und Distelbitter mit einem Sirup kalt gerührt, den ich aus einem Fond von Meeresfrüchten hergestellt habe. Dazu kam dann Soda. Serviert habe ich den Drink in vorgekühlten Muschelschalen aus Porzellan. Angerichtet wurden diese Schalen auf einem Brett, dekoriert mit essbarem Muschelsand und knusprigen Algen, um das Ambiente des Meeres für alle Sinne erlebbar zu machen. Weil Whisky sich von Eau de vie (Wasser des Lebens, Anm.) ableitet, gab es vorher Wasser für die Jury, um sich die Hände zu waschen, zudem warme, mit Whisky parfümierte Handtücher. Im Hintergrund Meeresrauschen als Sound. Somit waren alle fünf Sinne angesprochen.
Klingt nach einem Rezept, das unsere Leser nicht gerade leicht zu Hause nachmachen können. Tatsächlich bewegt sich der Wettbewerb außerhalb des Alltags-Niveaus. Aber wenn dadurch Rezepte entstehen, die etwas wirklich Innovatives bringen, hat es sich für die Welt der Cocktails und ihre Freunde schon gelohnt.
Warum verwendet die Barszene immer mehr Zutaten und Methoden aus der Gastronomie?Eine Trennung zwischen den Professionen des Bartenders und des Küchenchefs gibt es für mich nicht. Beide haben doch so viel gemeinsam. Für mich gibt es nur Geschmack. Ich bin ein Schmecker und ein Riecher. Ich lasse mich gerne von Köchen inspirieren, von den Roca-Brüdern oder Ferran Adria (Anm: spanische Molekularköche). Einer meiner kulinarischen Helden ist der britische 3-Sterne-Koch Heston Blumenthal. Nur einen Unterschied gibt es: Wir stehen vor dem Gast, die Köche arbeiten hinter den Kulissen.
Was macht einen guten Bartender aus? Ein guter Drink? Reicht nicht. Einer meiner Leitsätze ist "Wir servieren keine Drinks, wir servieren Gästen". Man muss vor allem Gastgeber sein. Es gilt, sich in die Situation des Gastes hinein zu versetzen. Und es gilt: Ein Drink kann kreativ sein, muss aber für den Gast nachvollziehbar sein.
Sie haben auch in London, im Mekka der Barszene, gearbeitet. Dort haben Sie dann im Savoy angeheuert: Wie lange hat es gedauert, bis Sie dort den ersten Drink für Gäste mixen durften?Ich habe mich bescheiden und beständig vom Gläser-Polierer über den Barkellner bis hinter den legendären Tresen der American Bar hinaufgearbeitet. Mir ist die Vielfalt wichtig. In London habe ich in einer Gin-Destillerie an den Kupferkesseln gearbeitet und bei den London Bar Consultants. Dazu kommen Inspirationen aus Musik, Kultur oder Sport.
Wie darf man sich letztere Beispiele vorstellen? Ein guter Drink braucht eine Idee und Geschichte. Das kann eine Anekdote vom Golfplatz sein, ein Musikstück oder ein gutes Buch.
Als welchen Drink würden Sie sich beschreiben? Old Fashioned. Wie ein schwarzer Anzug ist er nie groß in Mode, aber immer passend und lässt Raum für Interpretationen.
Steht ein Job in Wien in Aussicht? Ja. Wir eröffnen Ende September eine Bar.
Kommentare