„Wein ist nie ein Schnäppchen“

Der Wein-Connaisseur André Dominé über Georgien & Bio in der Flasche.

Wein – ein kleiner Titel für ein großes Buch: Auf 944 Seiten schrieb der deutsche Autor André Dominé sein Wissen über Wein nieder.

KURIER: Was können Sie nicht riechen?
André Dominé: Vieles. Weine, die nach zu viel flüchtiger Säure oder nach Holz riechen, empfinde ich als unangenehm.

Finden Sie die Weinsprache nicht manchmal kurios? Der Wein schmeckt nach Leder? Leder kommt sehr oft vor und beschreibt die Alterung des Weins. Es geht um Assoziationen bei der Weinbeschreibung. Jeder von uns hat Gerüche als Kindheitserinnerungen abgespeichert, somit verwendet auch jeder seine eigene Sprache.

„Wein ist nie ein Schnäppchen“
Sie wohnen in einem Winzerdorf in den Pyrenäen: Bauen Sie auch Wein an?
Nicht mehr. Meine Frau und ich haben damals eine Ruine gekauft. Damit wir eine Ruhe vor dem Nachbarn haben, nahmen wir zwei Weinterrassen dazu und ernteten auch. Nachdem das Wetter in den 80ern für Wein nicht optimal war, rissen wir die Reben heraus. Dabei hätte es eine Lösung gegeben, um besseren Wein zu produzieren: Einfach nur gesunde Trauben verwenden, das wusste aber damals niemand. In den 80ern schütteten wir alles zusammen.

Hatten Sie damals gar nicht Ihr profundes Weinwissen?
Nein. Als ich jung war, hatten ein Freund und ich ein gemeinsames Hobby: Wir kauften uns hin und wieder eine gute Flasche Wein und diskutierten darüber. Mehr nicht. Erst in Frankreich erarbeitete ich mir mein Wissen: Freunde in unserem Dorf verlegten sehr schöne Bücher, die überhaupt keinen Absatz fanden. Scherzhaft meinten wir, man müsste Bücher über Wein schreiben. Das haben wir dann getan. Ich habe Weinkeller besucht und Hunderte Menschen interviewt, um das Handwerk zu verstehen. Noch heute gehe ich mit Winzern in die Weinberge, denn Winzer erzählen oft andere Geschichten als ihre Reben.

Was ist die größte Veränderung im Weingeschäft?
Wein hat sich demokratisiert. Vor hundert Jahren war guter Wein nur für eine kleine Gruppe verfügbar. Für den Großteil der Menschen war Wein ein ganz einfaches, nicht besonders gutes Getränk, das zur täglichen Ernährung gehörte und oft mit Wasser vermischt wurde. Selbst einfache Weine sind heute gut gemacht, weil die Produzenten über ausreichend Know-how verfügen.

Kann billiger Wein gut sein?
Man kann beim Wein kein Schnäppchen machen. Kunden, die glauben, mit einem Zwei-Euro-Wein den großen Deal gemacht zu haben, irren. Dieser Wein ist nicht einmal zwei Euro wert. Handwerkliche Weine sind teurer.

Boomen nach wie vor biodynamische Weine?
Ja, gerade in Österreich nehmen diese Weine zu. Früher haben sich die Winzer aus ökologischen Gründen für Bio entschieden, um den Weingarten zu schonen. Heute sind Wein- und Traubenqualität die Motive: außerordentlicher Geschmack, anregende Wirkung und oft weniger Alkohol. Biodynamische Weine überzeugen mit leicht salzigen Aromen, weil lebendige Bioböden mehr Mineralsalze haben. Ein außerordentlicher Geschmack, eine anregende Wirkung und oft weniger Alkohol. Von den 30 besten Winzern im Elsass arbeiten mittlerweile 28 biodynamisch.

Was halten Sie von naturbelassenen Weinen?
,Orange Wines‘ (Anspielung auf die Farbe, Anm.) sind eine logische Folge der Biodynamie. Diese Winzer wollen im Keller auf Technik verzichten, die den Ausdruck der Beeren verändert. Dadurch entwickelt sich ein minimalistischer Umgang mit den Trauben: kein neues Holz, keine Barriques oder die Trauben werden in Amphoren vergoren.

Welche Weinregionen sind derzeit im Kommen?
Georgien – eines der ältesten Weinländer der Welt. Das Land kennt eine Weinaufbereitung, die auch weiße Trauben auf der Maische vergären lässt. Diese Tradition gibt es nur noch in Nordostitalien, in der Slowakei und Slowenien. In Georgien liegen die Wurzeln für die Orange Wines. Sie graben ihre Amphoren ein. In Italien stehen sie hingegen im Keller, wie es wahrscheinlich die Römer schon getan haben. Der Vorteil der Amphoren: Das Gefäß gibt Eigenaromen ab, ist aber dennoch porös. In Südafrika hat sich eine Gruppe von kreativen Winzern namens Swatland Independent zusammengeschlossen, die all ihre Weine spontan vergären müssen.

Haben Sie vor der Klimaerwärmung Angst?
Es kann sein, dass Gebiete zu heiß werden, aber der Mensch wird Lösungen finden. Es gibt jetzt schon Trends, dass man Rebstöcke hoch oben auf dem Berg oder nahe an der Küste anpflanzt. Früher gab es viele Sorten, die man wegen zu wenig Zucker aufgab. Diese müssen wir wiederentdecken.

„Wein ist nie ein Schnäppchen“
h.f.ullmann, Wein, Cover, André Dominé
Was halten Sie vom österreichischen Grünen Veltliner?
Ich bin noch dabei, mich mit ihm anzufreunden.

Wein, André Dominé, erschienen im h.f.ullmann

Kommentare