Möchten Sie blauen Wein trinken?

Werbesujet für den blauen Wein: Die Produzenten sehen sich als "Revolutionäre".
Ein neues Getränk aus dem Baskenland wird als Sensation vermarktet - hinter der Werbung gibt es aber nur spärliche Informationen.

Die Euphorie der Betreiber der Internet-Plattform "About Basque Country" ("Über das Baskenland") ist schier grenzenlos: "Das Baskenland hat einen blauen Wein - und die ganze Welt spricht darüber."

Das sei einmal dahingestellt. Aber Faktum ist: "Fünf Revolutionäre in ihren Zwanzigern" (Eigendefinition) haben im finanziell von Spanien autonomen Baskenland (Euskadi) - es verwaltet seine Steuereinnahmen eigenständig - ein Start-up (Gïk Live!) gegründet. Und sie haben mit der Universität des Baskenlandes und einem Lebensmitteltechnologie-Institut ("Azti Technalia") einen Wein mit blauer Farbe entwickelt.

Zweifelsohne ist das Baskenland eine der innovativsten Regionen Spanien. Die Homepage des Start-ups strotzt allerdings vor Sendungsbewusstsein ("Versuchen Sie alles zu vergessen, was Sie über die Weinindustrie wissen"), und wer danach auch "jegliche Traditionen" vergessen hat, der wird aufgefordert: "Jetzt öffnen Sie die Augen, was sehen Sie? Ein süßes, blaues Getränk mit einem Alkoholgehalt von 11,5 Prozent."

Doch das war es dann auch weitgehend mit der Öffnung, was die Informationen zur Herstellung betrifft.

Zum Thema Trauben erfährt man nur: "Unterschiedliche Sorten weißer und roter Trauben".

Und zum Thema Herkunft: "Wir arbeiten mit mehreren Weingütern aus ganz Spanien zusammen." Auf anderer Stelle der Homepage ist zu lesen, dass auch aus französischen Weingütern Trauben kommen. Wo sich diese befinden - keine Angaben.

Nach welchen Kriterien die Weingüter ausgewählt werden? "Wir wählen diese Weingüter sorgfältig nach ihren Traubensorten und ihrer innovativen Denkweise aus, danach, dass sie sowohl die Umwelt als auch unser Ziel, etwas anderes zu machen, respektieren."

Farbstoffe und Süßstoffe

Der nicht näher definierten "Mischung aus roten und weißen Trauben" fügen die Jungunternehmer zuerst "ein Pigment der Haut der roten Trauben: Anthocyan" hinzu, und anschließend "Indigotin", wie auf der deutschsprachigen Version der Homepage unter "Prozess" zu lesen ist.

"Indigotin" ist eigentlich die Bezeichnung für einen blauen Lebensmittelzusatzstoff (E 132), häufig auch Indigocarmin genannt. Auf der Homepage www.pharmawiki.ch steht dazu: "Indigocarmin ist ein Farbstoff, der unter anderem als Diagnostikum für Nierentests, als Reagens, Färbemittel für Lebensmittel und Arzneimittel und als pH-Indikator verwendet wird."

Abschließend werden "kalorienfreie Süßstoffe" hinzugefügt. Welche? Keine Angaben.

Auch Versuche des KURIER, mehr über Herkunft, Rebsorten, Farbzusätze (natürliche Quellen oder synthetische Herstellung?), Süßstoffe und den Produktionsprozess zu erfahren, blieben erfolglos: Bei zwei angegebenen Telefonnummern meldete sich niemand, und auch mehrere eMail-Anfragen blieben unbeantwortet.

Unter Weinkennern ist die Skepsis jedenfalls groß. Der deutsche Weinblogger und Winzer Dirk Würtz schreibt auf stern.de: "Der Wein ist trinkbar, wenn man schon leicht einen sitzen hat und auf Mallorca oder Ibiza weiter vorglühen will. Mit Wein und Weingenuss hat das nur am Rande zu tun."

Solch negative Bewertungen tun dem Selbstbewusstsein der jungen "Revolutionäre" aber keinen Abbruch: "Das blasphemische blaue Getränk ist auf dem Weg, das heißeste Getränk der Millennials zu werden."

Rote Absolute in Spanien

Das könnte aber ein langer Weg werden. Denn noch setzen die Spanier auf Tradition beim Weinkonsum - und geschützte Ursprungsbezeichnungen. Und da führt laut einer kürzlich in El Pais veröffentlichten Statistik von Kantar Worldpanel das Weinbaugebiet Rioja mit 36 Prozent Anteil an allen in den spanischen Haushalten konsumierten Weinen, gefolgt von Weinen aus dem Weinbaugebiet Ribera del Duero (13 %).

Die Farbe der in Spanien getrunkenen Vinos ist übrigens zu 67 Prozent rot. Und zumindest diese rote Absolute wird blau nicht gefährden.

Nur in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen liegt weiß (45,8 %) knapp vor rot (44,1 %).

Wo es den Wein (nicht) gibt

Wer sich für den blauen Wein interessiert: Auf der deutschsprachigen Version der Homepage von Gïk Live! steht unter der Rubrik "Kaufen" bei allen Angeboten "nicht vorrätig". Eine Flasche käme dort übrigens auf 12 Euro (ohne Versandkosten).

Beim Versand uvinum.at wird der blaue Wein als "Bestseller" geführt - eine Flasche gibt es dort um 9,29 Euro (plus Versandkosten 19 Euro), bei sechs Flaschen betragen die Versandkosten 22 Euro.

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