Die neue Limo-Lust

Das Herausarbeiten bestimmter Geschmacksnuancen ist die hohe Kunst.
Holler als Sirup war gestern. Jetzt werden Früchte, Kräuter und Gemüse feinst aufeinander abgestimmt.

Entsaftete Rote Rüben mit Rauchtee und Trauben, Rhabarber mit Spinat und sogar selbst gemachtes Tonic: Das Trend-Thema Limonade bringt findige Saftmacher auf die kreativsten Ideen. Ob Szene-Lokal oder Gourmettempel, vor allem in der Gastronomie darf das Prädikat "hausgemacht" in Zusammenhang mit Limonade auf kaum einer Karte fehlen.

Dass gerade der beliebte sommerliche Durstlöscher derzeit so zu Ehren kommt, ist kein Zufall. Der Vielfalt sind kaum Grenzen gesetzt. Es lässt sich sogar ein ganzes Bar-Konzept darum bauen. Das zeigt die Ulmer Bar "Rosebottel" (holländisch für Hagebutte). Dort werden seit 2012 ausschließlich selbst gemachte Limonaden verkauft. Mit Minz- oder Holler-Limonade à la Oma haben sie kaum etwas zu tun.

Essenzen

Für die späteren "Essenzen", wie die Limonadenmacher ihre Produkte nennen, wird mitunter eine Vielzahl von Ingredienzen feinst aufeinander abgestimmt. Quitte wird mit feinen Kräutern versetzt und die Cola-Essenz enthält einen Hauch Ingwer und Vanille. Man kann sie pur trinken (in Flaschen abgefüllt auch zuhause) oder als Basis für Longdrinks verwenden.

Das Herstellen solcher Säfte braucht Zeit und Fingerspitzengefühl, das weiß auch Barbara Eselböck vom Restaurant Taubenkobel im Burgenland. "Es steckt viel Arbeit dahinter, das unterschätzen viele. Jedes Getränk muss praktisch jeden Tag frisch angesetzt werden."

Der Grund, sich mit alkoholfreien Getränken auseinanderzusetzen, war Eselböcks erste Schwangerschaft. "Ich habe begonnen herumzuprobieren, welche Zutaten harmonieren." Das war vor zwölf Jahren. "Als wir damit im Restaurant starteten, wurden wir oft belächelt." Heute bestellen die Gäste ganze alkoholfreie Menübegleitungen, aber auch einzelne Drinks. "Wir freuen uns, dass sich das Thema so durchsetzt."

Vieles auf Teebasis

Viele der Getränke werden im Taubenkobel auf Teebasis mit zum Teil selbst gesammelten Kräutern zubereitet. "Es ist ein Unterschied, wie der Tee angesetzt wird. Mit heißem Wasser ist der Geschmack intensiver und wird leichter bitter." Zu einem Hauptgericht serviert man etwa Rauchtee, der mit entsafteten Roten Rüben und blaufränkischen Trauben gewürzt wird. Und Apfelsaft erhält durch Vervene und Kräuter eine besondere Note.

Dieses Herausarbeiten bestimmter Geschmacksnuancen in den Getränken ist für Andreas, Barchef im Wiener Restaurant "Labstelle", ein Grund, sich die Mühe überhaupt anzutun. Vier Mal im Jahr wechselt er sein Repertoire. Noch bis Ende Juni gibt es derzeit seine Rhabarber-Gurke-Spinat-Limonade. "Rhabarber ist typisch für den Frühling, die Gurke sorgt für Frische und der Spinat für eine leichte Würze und Farbe." Als Limonade sorge das Gemüse für ein ganz anderes Gaumen-Gefühl. "Als Würze eingesetzt, entwickelt Spinat einen ganz anderen Geschmack."

Tonic

Eine besondere Vorliebe hat Andreas für eines der klassischsten Getränke überhaupt entwickelt: Er braut sein eigenes Tonic. "Es ist so populär. Da war es ein logischer Schluss, sich damit zu beschäftigen." Für die Entwicklung seiner Rezeptur brauchte er ein Jahr. "Tonic braucht charakteristische Bitterkeit, aber auch Frische." Neben einer kleinen Menge an typischem Chinin sorgt bei ihm vor allem Wermutkraut für die spezielle bittere Note. Dazu kommen noch Limetten, Lemongras, Zitronensäure und Zucker.

Erst nach einer Ziehzeit von zwei Wochen entwickelt sich der Geschmack. Dann erlebt Andreas wie viele seiner Kollegen jenes Gefühl, das langes Tüfteln und Ausprobieren wert ist. "Das Aha-Erlebnis der Gäste ist immer wieder eine Freude. Und dass diese neuen Geschmäcker bei ihnen haften bleiben."

Seit Wildkräuter immer mehr aus ihrer Insider-Ecke geholt werden, überrascht es nicht, dass auch sie im Saftglas landen. Nicht zu unrecht. Denn die für viele unbekannte Vielfalt auf Wiesen, an Wegrändern bietet auch als Getränk unzählige Geschmacksnuancen. Überhaupt, da die Konsumenten lieber natürliche Aromen schmecken.

Für Limonade sollte man auf jeden Fall zu besonders aromatischen Kräutern greifen. Dazu zählt etwa Giersch, der in den vergangenen Jahren eine Renaissance erlebte. Das Aroma erinnert an eine Mischung aus Petersilie und Karotte. Waldmeister ist hingegen schon lange für seinen intensiven, charakteristischen Geschmack bekannt – man denke nur an die berühmte Waldmeisterbowle. Auch die Blüten und Blätter der Gundelrebe ergeben ein geschmackvolles Getränk.

Wildkräuter-Limonaden kann man heiß aufbrühen oder gleich kalt ansetzen. Für die heiße Variante werden die Kräuter mit etwas Zucker in Wasser aufgekocht und danach abgekühlt. Für einen kalten Ansatz quetscht man die Kräuter etwas und gibt sie über Nacht in 1 Liter Apfelsaft oder Zuckerwasser. Beide Varianten werden gut gekühlt mit Sodawasser verdünnt.

Ur-Limonade: Die Römer aromatisierten Wasser mit Essig. Das Essigwasser mit dem Namen „Posca“ blieb jahrhundertelang bekannt. Vermutlich im 19. Jahrhundert entstand schließlich eine Art „Ur-Limonade“, die aus Zitronen, Zucker und Wasser hergestellt wurde (englischer lemon squash).

Aromatisiertes Wasser: Wem Wasser zu geschmacklos ist, aber Säfte zu süß, könnte in aromatisiertem Wasser eine Alternative finden. Das Wasser kann heiß oder kalt mit Früchten, Gemüse oder Gewürzen vermischt werden.

Infusionen: Sie ähneln aromatisiertem Wasser. Der Begriff kommt vom lateinischen Wort für „Aufguss“. Teeblätter oder andere Zutaten ziehen in Wasser und können mit Aromen versehen werden.

Säfte: Darunter versteht man ausgepressten Saft von Obst und Gemüse. Fruchtsaft muss zu 100 Prozent aus Saft bestehen, Fruchtsaftkonzentrat wird unter Vakuum Wasser entzogen. Fruchtnektar besteht aus Nektar oder Fruchtmark mit Zuckerzusatz.

Tonic: Ursprünglich war „Tonic Water“ zwecks Desinfektion mit Chinin (von Chinarindenbaum) versetztes Wasser – je höher der Chinin-Gehalt, desto bitterer. Im Englischen bedeutet tonic aufbauend, stärkend. Chinin ist heute nur in Apotheken erhältlich, lange galt es als Mittel gegen Malaria. Ein Tonic Water ließ sich erstmals Erasmus Bond 1858 in London patentieren. 1870 brachte der Deutsche Johann Jacob Schweppe sein Tonic Water mit Chinin, Limette und Kohlensäure auf den Markt.

Kommentare