Wo der Osterschinken hergestellt wird

Sanfte Aufschneider: Roman und Jara Thum in ihrer Fleischerei in Wien-Margareten
Die Thums erzeugen den Wiener Beinschinken in fünfter Generation. Beinahe konkurrenzlos.

Der Fleischhauer Thum in Wien-Margareten – nach einem blutigen Verdrängungskampf einer der letzten Fleischhauer Wiens. Das g’schmackige Portal in der Margaretenstraße 126, das leicht gedämpfte Licht und die Aussicht, dass hier der Osterschinken noch nach alter Wiener Tradition hergestellt wird, laden zum Eintreten.

Der Meister und seine Frau begrüßen persönlich. Roman und Jara Thum führen das Geschäft in fünfter Generation. "Mein Ururgroßvater Raimund Thum kam im Jahr 1852 aus Böhmen nach Wien", erzählt der 45-jährige Meister seines Faches. "Er brachte damals auch den Prager Schinken mit an die Donau."

Prager Schinken? Wien nimmt es mit der Herkunft seiner Leibspeisen nicht ganz so genau. So wie das Schnitzel aus Mailand als Wiener Schnitzel adoptiert wurde, mutierte der Schinken aus Prag beiläufig, aber nachhaltig, zum Wiener Beinschinken.

Muskeln, Fasern, Fett

Wo der Osterschinken hergestellt wird
Reportage über die Herstellung des Osterschinkens in der Schinkenmanufaktur Thum am 08.03.2016 in Wien. Roman Thum führt das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation.
Die Schlögel vom hinteren Schweinefuß werden am Vormittag von einem Lkw mit Mistelbacher Kennzeichen abgeladen. "Sie kommen von einem kleinen Schlachthof in Groß-Harras", erklärt Roman Thum. "Dort werden die Schweine der nahe gelegenen, kleinteilig produzierenden Bauern geschlachtet."

Als Faustregel für Fleischhauer gilt: Ein Viertel eines Schweins, auch die Schulterkeulen, kann zu Schinken verarbeitet werden. Der Beinschinken besteht in erster Linie aus Muskeln (so wie sie am Knochen gewachsen sind), Fasern und Fett. Die Thums verarbeiten Fleisch aus Bio- und aus konventioneller Landwirtschaft, u. a. auch vom Wollschwein, dem viel gelobten Mangalitza aus Freilandhaltung.

Wo der Osterschinken hergestellt wird
Reportage über die Herstellung des Osterschinkens in der Schinkenmanufaktur Thum am 08.03.2016 in Wien. Roman Thum führt das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation.
In der Fleischerei gleich hinter dem Gassenlokal zeigt der Chef, wie der Schinken vor Ostern von seinen Fleischhauern verarbeitet wird: Zuerst werden die Schlögel und Keulen zugeschnitten und dann gepökelt. Drei Tage dauert es, bis sich das Pökelsalz ordentlich durch die Arterien durchgearbeitet hat. Dabei handelt es sich um eine alte Lebensmitteltechnologie: Das Salz entzieht dem Schinken das Wasser und damit die Lebensgrundlage für Bakterien.
Wo der Osterschinken hergestellt wird
Reportage über die Herstellung des Osterschinkens in der Schinkenmanufaktur Thum am 08.03.2016 in Wien. Roman Thum führt das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation.
In einem modernen Hochleistungsofen wird der Schinken anschließend zwei Stunden lang getrocknet und geräuchert. Thum deutet auf die Buchenspäne, sie sorgen für das entsprechende Aroma. "Im alpinen Raum wird stärker geräuchert", weiß der leidenschaftliche Fleischhauer, der mit seiner sanften Art nicht unbedingt in das Feindbild mancher Veganer passt. Dann sagt er: "Wir Wiener mögen den Schinken, wenn er eher wenig geräuchert ist."

Speziell in der Osterzeit beginnen die Thums ihr Tagwerk so früh wie die Bäcker. Das hat mit ihrer Logistik zu tun: Die 500 Stück Schinken, die sie in einer Woche herstellen, müssen vor dem Verpacken zehn Stunden lang im Dampfbad kochen und anschließend eine Nacht lang auskühlen.

"Wirklich einzigartig"

Roman Thum werkt seit seinem 16. Lebensjahr in der Firma seiner Familie. Die körperlich anstrengende Arbeit scheint ihm nichts anzuhaben, im Gegenteil, er strahlt über das ganze Gesicht: "Wir können unseren Kunden hier etwas in die Hand geben, das wirklich einzigartig ist."

Wo der Osterschinken hergestellt wird
Reportage über die Herstellung des Osterschinkens in der Schinkenmanufaktur Thum am 08.03.2016 in Wien. Roman Thum führt das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation.
Er muss dafür nicht exzessiv Werbung machen. Er muss seinen Schinken nur anschneiden, er muss dabei nicht aufschneiden. Nach dem Fleischer-Sterben hat er abseits der Billig-Schinken im Supermarkt in Wien kaum noch Konkurrenz. Mit jedem Tag, der näher an den Ostersonntag heranrückt, steht sich seine Kundschaft länger die Beine in den Bauch.

Auch wenn seine Frau Jara und die Frau seines Bruders wieselflink im Verkauf sind, am Karfreitag ist vor ihrer Budel die Hölle los, wissen sie aus Erfahrung: "Da stehen die Kunden in einer Schlange bis zur Reinprechtsdorfer Straße hinaus." Mehr über den Familienbetrieb hier.

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