Mit Butz und Stingl
Ganz junger Kukuruz, direkt vom Feld, süßlich und weich – schöne Erinnerung einer Kindheit am Land. Doch sogar in der sogenannten "guten alten Zeit" war nicht jeder so nachhaltig unterwegs, wie man heute gerne glauben möchte. Die grünen Kukuruz-Blätter, die den zarten Kolben umhüllten, hatten damals keinen Reiz.
Wenn Bernadette Wörndl hingegen Maiskolben verarbeitet, bleibt nichts davon übrig. Sie findet für wirklich alle Bestandteile schmackhafte Verarbeitungsmöglichkeiten. Und ist damit im Moment in guter Gesellschaft. Mehr aus den Gustostücken der Lebensmittel zu machen, könnte ein Anzeichen für einen gesellschaftlichen Wandel sein.
Übersättigter Markt
"Wir leben seit einigen Generationen in einem völlig übersättigten Markt", sagt Ernährungswissenschaftlerin Hanni Rützler, die sich intensiv mit Food-Trends beschäftigt.
"Das Thema Nachhaltigkeit sickert jetzt viel mehr in die Köpfe der Konsumenten. Es ist ein neuer Blick auf einen holistischen Zusammenhang."
Ihren Erfindungsgeist führt Wörndl auf ihre Herkunft zurück. Sie wuchs auf einem Salzburger Bauernhof auf. "In meiner Kindheit war es selbstverständlich, nichts zu verschwenden und aus allem etwas Besonderes zu zaubern." Später kochte sie jahrelang im Wiener Kochbuchladen und Lokal "Babette’s" beim Naschmarkt.
Der Blick aufs Ganze beschränkt sich längst nicht auf den vegetarischen Sektor.
Die Renaissance der jahrzehntelang als Fett- und Cholesterinbomben verteufelten Innereien war für Trend-Expertin Rützler erst der Anfang. "From nose to tail – also die komplette Verwertung von Tieren ist sehr im Kommen." Das weckt wiederum Kindheitserinnerungen, etwa bei Andrea D., 43. Sie wuchs in Wien auf, ihre Eltern stammten von einem Bauernhof. "In meiner Kindheit holten sie regelmäßig ein halbes Schwein." Die Mutter verarbeitete alles, bis zum gerösteten Ringelschwänzchen.
"Aus Kopf, Beinen und anderen minderwertigen Teilen machte sie Sulz."
Wer das heute selbst zu Hause probieren will, braucht aber vermutlich mehr als nur ein Kochbuch. Rützler: "Vieles kann man nicht erlernen – das muss man erfahren und miterleben. Solch traditionelle Zubereitungsarten gehörten früher zum Alltag einer Hausfrau, die Kinder lernten sozusagen durch 'learning by doing'." Das heutige Interesse moderner Städter sieht sie eher als Neugierde denn als Rückbesinnung. "Es ist cool und hip geworden."
Dazu kommt, dass früher die möglichst vollständige Verwertung der Lebensmittel schon durch wirtschaftliche Notsituationen schlicht notwendig zum Überleben war.
Autorin Marianne Stern empfahl bereits 1918 in ihrem "Kriegskochbuch" die heute so beliebten Frühlingsboten Bärlauch und Brennnessel zu Spinat zu verarbeiten. "In der wärmeren Jahreszeit ist Fleischgenuss für den menschlichen Organismus ohnehin nicht notwendig."
Kommentare