Der Herr der Raritäten

Der Herr der Raritäten
Alois Posch baut im steirischen Unterpurkla keine gewöhnlichen Paprikas und Chilis an. Seine Varietäten beruhen auf alten Sorten und sind dadurch geschmacklich und optisch absolute Ausnahmeerscheinungen.

Ein bisschen wie Fasching, denkt man, wenn man durch die Glashäuser von Alois Posch spaziert. Der Eindruck rührt von den mannigfaltigen Paprika her, die hier in ungeahnter Buntheit und Formenvielfalt an den Pflanzen hängen. Was für ein Potpourri! Manche Schoten sind – wenngleich das Wort Schote so nicht ganz richtig ist, denn botanisch gesehen sind Paprika eigentlich Beeren – so ungewöhnlich, dass man den Augen nicht traut.

Die Sorte "Paradeisfrüchtig Frührot" ist so eine: rund und flachbauchig ist sie, mit einem tollen Aroma. Da denkt man zuerst an einen Paradeiser – und es ist doch ein Paprika. "Korosko" heißt ein anderer, mit langen, spitzen Schoten und märchenhaft rot wie die Lippen von Schneewittchen. Auch "Antalya’dan" verblüfft mit länglichen Früchten und appetitlicher Süße. Ähnlich wie "Dulce Italiano", auch süß und mit lebhafter Form. Weil wir gerade so schön beim Verkosten sind: schon mal einen glockenförmigen Paprika probiert? Oder einen dieser seltsam bräunlichen? Nennt sich "Sweet Chocolate" und ist, was er verspricht. Mittelgroß, fleischig, saftig, gehaltvoll mit leichter Süße. Den nascht man, ähnlich wie Schokolade, am liebsten immer sofort. Mit dem Unterschied: Das hier ist gesunde Bio-Rohkost. Jeder Biss ein knackiges Vergnügen – optisch und erst recht geschmacklich, dank Alois Posch.

Der Herr der Raritäten

Er hat mit seinem Bio-Betrieb im südsteirischen Unterpurkla die Paprikavielfalt wiederbelebt, indem er viele alte, fast vergessene Sorten anbaut. Die Produktpalette ist breit und reicht von süßen, aromatischen frühroten Sorten über dickfleischige und spitze bis zu flachrunden, gelbgrünen leicht scharfen. "50 Raritäten haben wir mittlerweile bestimmt und jedes Jahr probieren wir neue Varianten aus", sagt Posch. Er hat auch Chilis, das sind die scharfen und ursprünglichen Varianten des Paprika, bis Schärfegrad sieben im Sortiment, ebenso fruchtige Cherrytomaten und auch so manche herrlich krumme Gurke.

Gegen den Einheitsbrei

Der Herr der Raritäten
Das südsteirische Unterpurkla, unweit den Murwaldauen, ist dank des warmen Klimas eine echte Gunstlage für den Fruchtgemüseanbau. Paprika und Chilis gilt Alois Poschs’ Hauptaugenmerk. Schon zu Beginn der 2000er Jahre hat er sich darauf spezialisiert. Damals hat er den Bauernhof der Mutter übernommen "mit ein paar Schweinchen, Kühen, Feldern. Ein typischer Mischbetrieb", erzählt Posch. Dass man davon mehr schlecht als recht lebt, war ihm bald klar. Auch, dass er viel lieber auf Bio und Gemüse umstellen würde. Als dann ein Gartenbaubetrieb der Umgebung zusperren musste und Posch die Gewächshäuser günstig aus der Konkursmasse kaufen konnte, kristallisierte sich sehr schnell heraus: Fruchtgemüse muss es ein – Paprika, Chilis, Tomaten, Gurken. Aber nicht das übliche 08/15-Einerlei. "Wir haben uns von Anfang an auf Raritäten konzentriert. Das Saatgut kommt von Reinsaat, die sich durch jahrelange Vorarbeit auf Raritätensaatgut spezialisiert haben und auch stetig neue, tolle Gemüsesorten entwickeln", sagt der Paprikapionier. Dank der ungewöhnlichen Vielfalt, die sich dadurch auftut, produziert er für Ja! Natürlich die beliebte "Gemischte Tasse". Darin finden Konsumenten einen geschmackvollen Mix aus Raritäten – samt Anleitung, wie die schönen, teils skurrilen Stücke heißen und wie man sie am besten in der Küche verwendet. "Damit möchten wir deutlich machen, welche Vielfalt eigentlich möglich ist," sagt Alois Posch und erinnert an Bäuerinnen der Nachkriegszeit, die den Ehrgeiz hatten von Jahr zu Jahr immer noch bessere und ungewöhnlichere Paprika zu züchten. Vielfalt war damals ganz normal. Und sie soll es auch wieder werden. Alois Posch trägt mit der Renaissance "historischer" Sorten dazu bei, dass die unterschiedlichsten Paprika unser aller Gaumen erfreuen. Das ist der persönliche Ehrgeiz des Bio-Bauern. Und noch mehr: "Denn altes Saatgut ist unbedingt erhaltenswertes Kulturgut. Damit es vital bleibt, muss es allerdings auch in entsprechenden Mengen angebaut werden."

So wie sich Alois Posch für Vielfalt einsetzt, ist ihm auch der biologische Anspruch wichtig. In seinem Betrieb gibt es keine chemisch-synthetischen Düngemittel, Pestizide, Herbizide und dergleichen. Schädlingen wie Blattläusen, Spinnmilben, Thripsen, gefräßigen Raupen wird zeitgerecht mit passenden Nützlingen zu Leibe gerückt. So ist etwa die Schlupfwespe ein natürlicher Gegenspieler der Blattlaus. "Die Wespe legt ihre Eier direkt in die Blattlaus und zerstört sie dadurch von innen", nennt Posch nur ein Beispiel natürlicher Schädlingsbekämpfung. Dazu muss allerdings nach jeder dritten Paprikareihe ein Nützlingsstreifen angelegt werden. Viel Arbeit, aber nur so regulieren sich Schädlinge praktisch von selbst. Und dann gedeihen sie – Paprika wie aus dem Bilderbuch. Ab Kalenderwoche 30 wird geerntet, bis in den Oktober. Gut 30 Mitarbeiter sind dann im Einsatz und unter anderem damit beschäftigt, die frisch gepflückten Raritätenschätze abwechslungsreich in Tassen zu schlichten. Die sind natürlich aus Karton und mit umweltfreundlicher Zellulosefolie aus Holz verpackt. Das ist 100 Prozent Bio bis ins kleinste Detail.

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