Kakaobauern essen zum 1. Mal Schokolade
Schauplatz Elfenbeinküste. Das westafrikanische Land ist fast viermal so groß wie Österreich. 1.045 US-Dollar beträgt das BIP pro Kopf, in Österreich ist das BIP 40-mal so hoch. 2012 produzierte das Land rund ein Drittel der weltweiten Kakaoernte. Branchenkenner gehen von 1,65 Millionen Tonnen Kakao im Jahr aus. Kakaobauern erhalten etwa sechs Prozent des Preises, den die Konsumenten in Mitteleuropa für eine Tafel Schokolade ausgeben. In den 80ern lag der Anteil noch bei 16 Prozent. Die Schokoladenherstellung ist ein gutes Geschäft: 2012 lag der Nettoumsatz der Schokoladenindustrie bei 80 Milliarden US-Dollar.
Kinderarbeit, Ausbeutung der Plantagen-Arbeiter und Kinderhandel: Immer wieder stehen große Firmen wie Mondelez und Nestlé unter Druck der Konsumenten, die auf fair produzierte Schokolade bestehen. Allein in der Elfenbeinküste und in Ghana arbeiten fast zwei Millionen Kinder auf Kakaoplantagen, hunderttausende davon unter Bedingungen, die nach internationalen Standards verboten sind. Die europäische Kampagne "Make Chocolate fair" fordert einen fairen Handel und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für die Kakaobauern. Bis 2015 möchten die Organisatoren (unter anderem Südwind) 100.000 Unterschriften für ihr Anliegen sammeln und diese den Schokoladeproduzenten in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion überreichen.
Trotz all dieser Schattenseiten gibt es nun einen holländischen Kurzfilm über Kakaobauern, die zum ersten Mal Schokolade essen. Sieben Euro verdient Alfonso am Tag, mit diesem Geld muss er 15-Familienmitglieder und vier Arbeiter bezahlen. Eine Tafel Schokolade kostet 2 Euro. Luxus für ihn. Als er seinen Plantagen-Arbeitern ein Stück gibt, macht sich Staunen und Unsicherheit breit: "Bist Du sicher, dass Schokolade aus Kakao gemacht wird?" (Video oben)
Wie das Aroma in die Schokolade kommt
Der Preis für Kakao – neben Erdöl und Kaffee einer der meistgehandelten Rohstoffe der Welt – steigt. Im März erzielte Kakao an den Rohstoffbörsen so hohe Preise wie seit zweieinhalb Jahren nicht mehr. Nicht nur, weil sich der weltweite Schokoladekonsum binnen 20 Jahren verdoppelt hat. Auch, weil die Erntemenge nicht im selben Ausmaß nach oben schnalzt.
Derzeit werden weltweit mehr als vier Millionen Tonnen im Jahr geerntet, wobei 90 Prozent davon aus nur sieben Ländern kommen. So gut wie jede zweite Bohne stammt entweder aus Ghana oder von der Elfenbeinküste. Weil die Bauern in den vergangenen Jahren aber kaum von ihrer Ernte leben konnten, haben sie nicht mehr in ihre Plantagen investiert. Speziell an der Elfenbeinküste – die unter den Nachwehen des Bürgerkrieges und unter korrupten Beamten leidet – sind die Pflanzen alt. Bis neue Bäume gepflanzt werden und diese auch Früchte tragen, wird es Jahre dauern. Das wissen auch die großen Süßwarenkonzerne. Sie fürchten, bald nicht mehr genügend Nachschub zu bekommen.
"Um sich Mengen zu sichern, arbeitet die Industrie jetzt mit Gütesiegeln zusammen", beobachtet Gerhard Riess von der Produktionsgewerkschaft ProGe. Er sieht die Zusammenarbeit mit Labeln wie Fairtrade, UTZ und der Rainforest Alliance deshalb kritisch. Riess: "Die Industrie hat null Interesse an den Menschen in den Anbauländern, sie sorgt sich nur um genügend Nachschub."
Millionen für Bohnen
Fest steht, dass Süßwarenhersteller aktuell hohe Summen in Nachhaltigkeitsprogramme pumpen. Mondelez (ehemals Kraft) investiert in den kommenden zehn Jahren mehr als 400 Millionen Dollar in Regionen, in denen Kakao angebaut wird, erläutert Heidi Hauer, Sprecherin von Mondelez Österreich. Dabei handelt es sich um die Elfenbeinküste, Ghana, Indonesien, Indien und die Dominikanische Republik, wo Mondelez jeweils mit Experten von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammenarbeite. Mondelez sei der weltweit größte Einkäufer von Kakaobohnen, sagt Hauer. "So viele Fairtrade-Bohnen, wie wir brauchen, gibt es gar nicht." Verarbeitet werden die Bohnen übrigens auch in Bludenz, wo 300-Gramm-Milka-Tafeln für ganz Europa vom Band laufen.
Im Ranking der größten Schoko-Produzenten liefert sich Mondelez traditionell mit Mars ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der US-Familienkonzern – der auch in Österreich in Breitenbrunn produziert – hat sich hohe Ziele gesteckt. Er will seine Riegel (Marken wie Snickers, Twix, m&ms) ab dem Jahr 2020 ausschließlich mit zertifiziertem Kakao produzieren.
Auch Konkurrent Nestlé schlägt – ohne konkrete Zahlen zu nennen – ähnliche Wege ein. Der Schweizer Produzent von Marken wie Lion, Nuts, Smarties oder After Eight verkauft seine Kit-Kat-Riegel für Großbritannien und Irland seit Jahren nur noch mit Fairtrade-Siegel.
Der Schokolademarkt ist stark konzentriert. Fünf Konzerne – Mondelez, Mars, Nestlé, das italienische Familienunternehmen Ferrero und der US-Konzern Hershey – teilen sich geschätzte 70 Prozent des Weltmarktes untereinander auf. Auch wenn hohe Summen in Nachhaltigkeitsprogramme fließen, ist das Ergebnis noch überschaubar. Derzeit werden keine fünf Prozent des Kakaos nachhaltig erzeugt.
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