Josef Schrott: "Der Trend geht zu Brot"

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Bäcker-Innungsmeister Josef Schrott über Trend zum Schwarzbrot und die steigende Konkurrenz im Supermarkt.

Die älteren Damen am Nebentisch plaudern angeregt über die Torten in der Vitrine. Die Türen gehen auf: Die Laufkundschaft holt sich auf dem Weg ins Büro das Frühstück. Wer die Bäckerei Josef Schrott in Wien-Mariahilf betritt, wird auf eine kleine Zeitreise mitgenommen. Das Interieur in hellem Holz könnte schon seit 30 Jahren so aussehen, das kühle, moderne Design von so manchem Trend-Bäcker wäre hier fehl am Platz. Bei Josef Schrott scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein. Der leidenschaftliche Bäcker betreibt seine Bäckerei in fünfter Generation, die nächste steht schon in den Startlöchern. 300 Tonnen Mehl verbraucht der Bäcker-Innungsmeister im Jahr, mehr als 200 Kilogramm täglich nur für Brot. Nächste Woche ist sein großer Tag: Am 12. März findet im Rathaus der Wiener Brotpreis statt – an diesem Tag verwandelt sich das Rathaus zur größten Backstube der Stadt. Im Interview mit dem KURIER wehrt sich Schrott gegen den Begriff "sterbende Branche" und erinnert sich an die Anfänge seines Ururgoßvaters.

KURIER: Vor kurzem drohten Sie dem Diskonter Hofer mit Klage, falls dieser sein Automatengebäck mit Attributen wie "Handwerksqualität" und "Regionalität" bewirbt (der KURIER berichtete). Werden die flächendeckenden Hofer-Backshops den Bäckern weh tun?

Josef Schrott: "Der Trend geht zu Brot"
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Josef Schrott: Das wird sich weisen. Die Optimisten sagen, die Supermärkte machen sich untereinander Konkurrenz. Viele Kunden schätzen sicher auch weiterhin das Brot vom Bäcker und dessen Handwerk. Die Handwerksbäcker werden mit neuen Ideen diesen Wettbewerb aufnehmen und bestehen.

Was tut sich in Sachen Trends?
Am Wochenende frisches Gebäck in Wohngegenden ist heute schon fast Standard. Seit der EM 2008 habe auch ich am Wochenende offen. Das Geschäft am Wochenende hat sich gut entwickelt. In den letzten drei, vier Jahren verkaufe ich wieder mehr dunkles Brot und die Kunden fragen immer mehr nach, was im Brot drinnen ist. Bei mir sind auch spezielle Sorten ohne Weizen oder Hefe ein Renner. Auch vegan wird immer mehr ein Thema: Neben veganen Kuchen verkaufe ich auch Croissants ohne tierische Fette und ohne Ei.

Trendige Bäcker haben in den letzten Jahren kommuniziert, dass sie so backen wie früher. Im Umkehrschluss heißt das natürlich, dass die meisten Bäcker nicht mehr so backen.
Das stimmt so sicher nicht. Aus meiner Sicht verwenden immer weniger Bäcker fertige Backmischungen. Es geht zurück zum Selbstgemischtem. Ich verwende die Backmischung nur beim Kornspitz, weil dieser markenrechtlich geschützt ist. Meinen Müller kenne ich persönlich, für dessen Qualität kann ich die Hand ins Feuer legen: Ich beziehe das Mehl von der Hofer-Mühle in Lichtenwörth bei Wiener Neustadt. Ich verarbeite nicht nur Mehl, sondern mahle auch selber Bio-Getreide.
Sie lassen in der Mühle ein spezielles Getreide mahlen? Nein, ich mahle tatsächlich selber. Ich kaufe für meine speziellen Bio-Vollkornprodukte das Getreide aus dem Bezirk Mattersburg und mahle das Getreide bei mir in der Backstube hinterm Geschäft.

Ist nicht das Problem, dass der Konsument gar nicht erraten kann, welcher Bäcker eine weiße Weste hat und welcher trickst. Fragen Sie den Bäcker. Ein Bäckermeister wird immer ehrlich antworten, ob er fertige Backmischungen verwendet. Backmittel sind bei mir im Weißgebäck ein Thema. Diese gibt es bereits seit 100 Jahren. Bei dunklem Brot oder Roggenbrot brauche ich es nicht.

Glauben Sie nicht, dass die Bäcker selber Schuld tragen an der kleinen Krise und mehr auf die Konsumenten hören müssen, die keine Enzyme im Brot haben wollen. Schuld… Ich denke mir, es ist eine Marktentwicklung. Man muss aber differenzieren: Ohne Enzyme würden wir sterben. Enzyme zu verteufeln ist falsch. Der ganze menschliche Verdauungstrakt beruht auf Enzymen. Es gibt Mehl-eigene Enzyme, die entstehen, sobald ich Mehl mit Wasser mische. In den Backmitteln helfe ich mir mit Enzymen weiter: In der Getreide-Mälzerei wird das Getreide angekeimt und dann startet eine riesige Enzym-Tätigkeit im Korn.

Kritische Konsumenten kritisieren jene Enzyme, die unter anderem in Aufbackbrötchen stecken und dafür sorgen, dass das Brötchen monatelang im Tiefkühlfach haltbar ist oder tagelang weich bleibt.
Das ist übertrieben: Es ist ja wirtschaftlich uninteressant, eine Semmel monatelang haltbar zu machen. Natürlich muss man mit anderen Backmitteln arbeiten, wenn man Tiefkühlbackwaren macht. Ich selber backe alles in meiner Backstube, mahle sogar selbst, mache Teigpflege und verkaufe es dann selber.

Letztes Jahr hat Eat the Ball in Österreich durchgestartet und hier sorgen Enzyme dafür, dass das Brötchen so lange haltbar bleibt.
Hier ist sicher ein Enzymcocktail drinnen, aber das verkauft der Bäcker als Nahversorger sicher nicht. Wenn das Semmerl am Abend nicht mehr so resch ist, wissen Sie, dass Ihr Bäcker normal arbeitet. Was viele nicht wissen: Das Wetter spielt eine riesige Rolle bei der Gebäckalterung. An einem regnerischen Tag, kann man am Nachmittag kein resches Gebäck erwarten. Als Konsument kann man es im Ofen ein bisschen aufreschen.

Was, wenn die Semmel zu hart ist?
Da helfen nur noch Knödel. Faschierte Laibchen. Scheiterhaufen. Geröstete Würfel in die Suppe. Meine Frau hat vor kurzem begonnen, mit Brot Saucen zu binden.

Manche Bäcker erzählen, dass es für sie extrem schwierig ist, Nachwuchs zu finden, weil die Jungen nicht so früh aufstehen wollen. Auch einer der Gründe, warum sie zu fertigen Backmischungen greifen.
Es gibt schon noch interessierte Junge, ich bilde derzeit zwei Lehrlinge aus. Für mich ist es eher ein Problem, Lehrlinge zu finden, die noch rechnen können. "Wir machen 300 Mohnstriezerl, auf ein Blech kommen 30, wie viele Bleche brauche ich?" - viele scheitern an diesen banalen Rechnungen. Ich sehe es nicht primär als meine Aufgabe an, den Jugendlichen Rechnen beizubringen. Das ist Aufgabe der Schule.

War das zu Ihrer Zeit so anders? Waren Ihre Kollegen wirklich alle auf zack?
Mehr auf zack. Ein Beispiel: Zu meiner Zeit gab es keinen Zweifel, ob ich mir Zeit nehme, für den Lehrlingswettbewerb der Innung zu üben. Heute haben die Jugendlichen einfach keine Lust, in den Beruf Zeit zu investieren.

Dass die Unternehmen zu viel von den Jugendlichen verlangen, kann nicht sein?
Bei mir braucht kein Lehrling über längere Zeit abwaschen oder Blech putzen. Das haben wir damals noch machen müssen. Wir mussten einmal in der Woche die Backstube aufwaschen, das war sogar manchmal eine Hetz in der Gruppe. Auch das muss heute kein Lehrling machen. Heute liegt der Schwerpunkt eindeutig in der konzentrierten Weitergabe und Übung der fachspezifischen Fertigkeiten.

Wie lange stehen Sie schon im Geschäft?
Vor 20 Jahren habe ich das Geschäft übernommen. Unterm Strich ist es sicher schwieriger geworden: Die Margen kleiner und die Konkurrenz größer. Zur Zeit meiner Eltern gab es in den Supermärkten keine große Auswahl an Brot. Die Menschen kauften das Brot beim Bäcker.

Ihnen gehört das Geschäft in fünfter Generation. Wissen Sie, wie alles begonnen hat?
1885 kaufte mein Ururgroßvater die Backstube auf der Mariahilfer Straße. Er kam ursprünglich aus Böhmen, nach seiner Bäcker-Lehre in Prag kam er nach Wien. Hier verliebte er sich und kaufte angeblich mit einem Lotto-Gewinn diese Bäckerei. Meine Rezeptsammlungen sind noch in Kurrent geschrieben. Für unsere Osterpinzen verwende ich ein Rezept meines Urgroßvater, der dieses aus der k.u.k-Stadt Görz im heutigen Slowenien hat.

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