Simone Jäger: A g'standene Frau in der Küche

Kartoffelvariation - ein veganer Waldboden.
Die Frau hat Humor, Talent, Biss – und ein Manko: Simone Jäger kocht in einem Hotel.

Im Keller hängt ein großer Sack am Fleischerhaken, eine rote Flüssigkeit tropft langsam heraus. Unweit davon liegen braune Krümel, es duftet nach Wald. Die Szenerie erinnert vage an einen Wolf Haas-Krimi und doch passierte hier kein Mord. Simone Jäger hat sich eine kleine Hexenküche unter dem Restaurant La Véranda angelegt – ihrer neuen Wirkungsstätte: Die 36-Jährige schwingt seit wenigen Wochen den Kochlöffel im Hotel-Restaurants des Sans Souci und krempelte die Karte komplett um.

Simone Jäger: A g'standene Frau in der Küche
honorarfrei
Wer einen Blick in den Sack wagt, entdeckt zergatschte Paradeiser. Die braunen Krümel weisen nicht auf den möglichen Tatort eines Verbrechens hin, sondern auf fermentierte Pilze. Für ihre geeiste Paradeiser-Erdbeerkaltschale legt sie die herrlichen Früchte mit Gewürzen und Kräutern in einen riesigen Sack ein und fängt jeden noch so kostbaren Tropfen auf. Dazu serviert sie ein kühelnd-erfrischendes Rosmarin-Granité. Dank solcher Kreationen erkochte Jäger 2013 für Hollmann Salon eine Haube. Im Interview mit dem KURIER spricht sie über ihre Kindheit in einem Gasthaus und über ihre Einkoch-Künste:
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KURIER: Sie kommen aus der Region um Tettnang – hatten Ihre Eltern eine Landwirtschaft?
Simone Jäger: Nein, ich bin ein Wirtshaus-Kind. Nach der Schule musste ich jeden Tag zwei Stunden lang mithelfen. Mit 11 Jahren konnte ich bereits Spätzle kochen. Vater und Mutter konnten kochen: Wenn es aber stressig wurde, kochte mein Vater. Später wollte ich das Gasthaus in dem 500-Seelen-Dorf Fenken nicht weiterführen.
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Was tischten Ihre Eltern abgesehen von Spätzle auf?
Jäger:In Baden-Württemberg wird sehr fleischlastig gegessen: Hendl, Beiriedschnitte, Schweinskarree, Kräuterbutter und viel Sauce dazu. Also eine ziemlich deftige Küche.

Haben Ihnen Ihre Eltern von einer Karriere in der Gastronomie abgeraten?
Jäger: Nein, überhaupt nicht. Ich war ein nervöses, unruhiges Kind. Meine Mutter glaubte eher daran, dass sich meine Unruhe in der Küche legen würde. Beide haben natürlich gehofft, dass ich das Gasthaus übernehmen würde. Mit 30 bin ich dann tatsächlich zurückgegangen und wollte es ausprobieren, aber die Renovierung des alten, wunderschönen Gebäudes hätte zu viel gekostet.

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Nachhaltigkeit und Regionalität sind die gängien Schlagworte: Gibt es für Sie ein No-go?
Jäger: Ich lebe nachhaltig. Für mich ist wichtig, dass ich kein Fleisch aus Massentierhaltung verwende. Ich verzichte gerne auf Bio-Fleisch, wenn das Tier hier nicht aufgewachsen ist, sondern gerade einmal 24 Stunden im Land verbrachte vor der Schlachtung. Bevor ich Bio-Erdbeeren aus Chili kaufe, kaufe ich lieber regionale aus Österreich ohne Bio-Siegel. Es braucht natürlich auch Händler, denen ich vertraue.

Haben Sie neue Kontakte gelegt?
Jäger: Es ist tatsächlich nicht leicht, wenn man die Küche wechselt. Erdäpfel, Zwiebel, Knoblauch, Kirschparadeiser, essbare Blumen und die Wildkräuter bekomme ich beispielsweise von Michael Bauer. Ich war wahnsinnig froh, dass er mich als Kundin wieder aufgenommen hat. Natürlich will jeder Koch Spitzenprodukte haben: Bei seinen Erdbeeren ist es nie sicher, dass er genug hat. Derzeit hat er wunderschönen, bunten Mangold, an dem ich mich gar nicht satt sehen kann. Und in der Küche ist er so vielfältig einsetzbar.

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Sie haben die Karte komplett umgekrempelt. Worauf legen Sie wert?
Jäger: Einlegen, einkochen und fermentieren. Jedes Projekt fängt klein an: Mit Marillen, Erdbeermarmelade, Rosenwasser und schwarzen Nüssen haben wir bereits begonnen. In zwei Jahren werden wir dann voll aus unseren Ressourcen schöpfen können. Auch Holundersirup haben wir gemacht, allerdings neigt sich dieser schon dem Ende zu. Ein kleines Platz-Problem haben wir noch, aber mit Umsortieren wird es chon funktionieren.

Folgt also bald das Sauerkraut?
Jäger: Nein, das reizt mich nicht, weil ich gutes am Naschmarkt bekomme. Der Gast würde keinen Unterschied schmecken. Ob es sich um selber kompottiertes Obst handelt oder um Obst aus der Dose, schmeckt man hingegen schon.

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Wie erklären Sie sich, dass es so wenige Frauen im Koch-Olymp gibt?
Jäger:Es werden mehr. Als ich die Berufsschule besucht, waren wir nur zu dritt. Über das Thema Frauen in Führungspositionen habe ich damals nie nachgedacht. Meine Mutter war eine sehr starke Persönlichkeit, die zu Hause den Ton angab, für mich war es also nichts Besonderes in der Küche der Chef zu sein. Ein einziges Mal bin ich in einer Bewerbungssituation von einem Italiener gefragt worden, ob ich tatsächlich die Position der Köchin anstrebe und nicht jene der Küchenhilfe. Damals hab ich mir nur gedacht: 'Mensch, ist der doof.' Die Küche ist ein hartes Pflaster, man bekommt nichts geschenkt.
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Wie schalten Sie ab?
Jäger:Ich gehe gerne an die frische Luft, schwimmen oder mit dem Hund spazieren.

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