Gräfin am Naschmarkt: Wie hart darf eine Restaurantkritik sein?

Symbolbild.
Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek über Persönlichkeitsrechte, freie Meinungsäußerung und Informationsrecht.

Die Rindssuppe war eine "rein gekörnte Brühe", die Lasagne "ein in der Mikrowelle fachgerecht zu Magma verwandelter Ziegel mit großzügiger Garnierung aus Trockenkäse Sägemehl", der Semmelknödel ein "beeindruckender Flummi von außen lehmiger, innen trockener Konsistenz und zarten Spülwasser-Anklängen im Finish": Als die Tageszeitung Der Standard vergangenes Jahr eine pointiert formulierte Restaurantkritik über das bekannte Restaurant Die Gräfin am Naschmarkt veröffentlichte, beschwerte sich die Restaurant-GmbH beim Österreichischen Presserat.

Bereits damals argumentierte die medienethische Instanz, keine Verstöße des Ehrenkodex der österreichischen Presse erkennen zu können. Die Vorsitzende wies die Beschwerde ab. Im aktuellen Medien und Recht befasst sich Alexander Warzilek, Jurist und Geschäftsführer des Presserats, nochmals mit der Causa und legt die Rechtsgrundlage dar.

Konkret betraf die Beschwerde im Jahr 2018 den bereits erwähnten Restauranttest sowie einen Artikel über die schlechten Bewertungen und der Umgang mit Gästen. Die Restaurant-Leitung hatte argumentiert, dass die Veröffentlichung eines konkreten User-Kommentars, der die deftige Formulierung verwendet hatte, der Kellner habe ihn "bescheißen" wollen, gegen die eigenen Forenregeln verstoßen. Der polemische Inhalt der Restaurantkritik würde wiederum die Reputation des Restaurants schädigen.

"Eines der schlechtesten Restaurants des Landes"

Gräfin am Naschmarkt: Wie hart darf eine Restaurantkritik sein?

Die Bezeichnung als "eines der schlechtesten Restaurants des Landes" mag den Betreibern zwar missfallen, sie erscheint jedoch angesichts der negativen Rezensionen auf Bewertungsportalen als gereechtfertigt. Zum damaligen Zeitpunkt listete die Tripadvisor-Seite jeweils sechs Bewertungen mit Ausgezeichnet, Sehr Gut und Befriedigend auf, 15 mit mangelhaft sowie 2017 mit Ungenügend. Die Veröffentlichung ungewöhnlich scharfer Reaktionen der Geschäftsführung eines Restaurants auf Beschwerden von Gästen leistet einen Beitrag zu einer gesellschaftlich relevanten Diskussion und ist für die Allgemeinheit durchaus von Interesse. Dass Der Standard das deftige Posting zitierte, sei kein Verstoß: Schließlich habe das Restaurant selbst dem Gast via Tripadvisor öffentlich geantwortet. Zudem können Community-Richtlinien nicht als Leitlinie für die Erstellung eines Artikel herangezogen werden.

Entscheidend sei, dass im Artikel die Standpunkte des Gastes und des Managements neutral wiedergegeben werden. Auch sei auf die positiven Erfahrungsberichte hingewiesen worden. Das unorthodoxe Beschwerde-Management sei  für die Allgemeinheit jedenfalls von Interesse.

Gezielte Herabwürdigung oder Schmähung ist nicht erlaubt

Gräfin am Naschmarkt: Wie hart darf eine Restaurantkritik sein?

Auch die Beurteilung der Restaurantkritik sei eindeutig: Diese seien Meinungsäußerungen, die auf persönliche Eindrücke zurückgehen und scharfe Beurteilungen enthalten dürfen. Die Meinungen müssen nicht alle teilen, dürfen schockieren oder sogar verstören.

Erst wenn es dem Kritiker um eine gezielte Herabwürdigung oder um eine bloße Schmähung geht, wären die Grenzen einer zulässigen Meinungsäußerung überschritten. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Gerichte wie "hineingeschissen" oder zum "Kotzen" beschrieben werden. Die geäußerte Kritik im Standard knüpfte an ein Tatsachensubstrat an, da der Kritiker die getesteten Speisen beschrieb.

Eine Persönlichkeitsverletzung nach dem Ehrenkodex für die österreichische Presse sowie eine Ehrenbeleidigung oder Kreditschädigung ist daher nicht gegeben. Solange die Grenze zur Herabwürdigung nicht überschritten wird, spielt es keine Rolle, dass sich die Kritik schädigend auf das beurteilte Restaurant auswirken könnte.

Anmerkung der Redaktion: Die Autorin des Artikels ist Mitglied des Österreichischen Presserats.

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