Gin: Einst als Fusel verschrien, heute Trend
Das Urteil der Briten in Sachen Alkohol fiel hart, aber eindeutig aus: "Das Einzige, das Sie den Österreichern abkaufen können, ist ein Glas Bier oder Wein." Vor dem Konsum von Gin wurde dezidiert gewarnt – die Qualität lasse sehr zu wünschen übrig.
1945, als das Büchlein Austria – A Soldier’s Guide britischen und amerikanischen Besatzungssoldaten Land und Leute näher bringen sollte, mag das gestimmt haben. Überhaupt, wenn man aus dem "Mutterland des Gin" ins kriegsverwüstete Österreich kam. Im Sog des internationalen Gin-Booms der vergangenen Jahre brauchen sich allerdings heimische Brenner nicht zu verstecken. Der schlechte Ruf als billiger Fusel, der der Spirituose nicht nur in Österreich jahrhundertelang anhaftete, hat sich ins Gegenteil verkehrt: Gin ist derzeit das Trendgetränk schlechthin.
Regionale Produzenten
Gin-Sammler Thomas Kenyeri kann die Entwicklung erklären: "Die Szene hat sich enorm entwickelt. Durch die unzähligen Möglichkeiten an Kräutern und Gewürzen kann man sich regional wunderbar abheben." Zum Beispiel mit Bergkräutern und Wurzeln aus dem hinteren Bregenzerwald, wie sie im "Löwen Gin" verarbeitet werden. Sich neben Obstbränden dem Trend-Destillat zu widmen, lag für Wirt Siegfried Atzlesberger und Brenner Rupert Moosbrugger auf der Hand: „Wacholder hat bei uns Tradition und mit Alpenkräutern lassen sich interessante Geschmacksnoten kreieren.“
Das wird Moosbrugger auch beim "Vienna Gin Festival" (heute/morgen im Semper-Depot, www.viennaginfestival.at) mit 40 anderen nationalen und internationalen Produzenten zeigen. Mit dem Festival will man der geschmacklichen Vielfalt des Wacholderschnapses Rechnung tragen, sagt Organisator Kenyeri. Und die Geschmacksvielfalt ist neben Wacholder in der Tat enorm. Von Zitrusfrüchten bis zu Veilchenwurzeln lässt sich so ziemlich alles als "Botanicals", so der Überbegriff für Aromen, verwenden. „Man kann sich beim Gin-Brennen richtig austoben", sagt Siegfried Atzlesberger.
Wacholder ist eine sehr ölige Frucht
Die Anzahl der "Botanicals" ist von Hersteller zu Hersteller verschieden, egal ob Groß- oder Kleinproduzent. Klar ist auf jeden Fall: Ohne Wacholder geht nichts – aber alleine bleibt er nicht. Warum, erklärt Grete Wiederstein: "Der Wacholder ist eine sehr ölige Frucht, sie braucht immer einige Aromabrücken." Die nach eigener Beschreibung "klassische Schnapsbrennerin" ist wegen der Interpretationsmöglichkeiten auf den Wacholderschnaps gekommen und sagt: "Gin ist wie eine riesige Spielwiese."
Mit zehn Aromen (z.B. im bekannten "Bombay Sapphire") lässt sich bereits ein geschmacklich interessanter Gin herstellen. Manche Produzenten setzen dagegen auf maximale Vielfalt. Beim Trend-Gin "Monkey 47" aus dem Schwarzwald ist der Name Programm – er vereint ebensoviele Aromen. Grete Wiederstein hat die richtige Mischung für ihren "Gini Bezaubernd“ längst gefunden. "Ein befreundeter Brenner hat mir sein Grundrezept verraten, ich habe dann herumexperimentiert." So kommen 36 Botanicals in ihren Gin, die sie von einem Apothekerlieferanten mischen lässt. "Damit ich in gleichbleibender Qualität produzieren kann, brauche ich kontrollierte Ware."
Hätte man das 1945 schon so gehalten, wäre das Urteil der Briten sicherlich anders ausgefallen. Cheers!
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