Dieser Mann hat das Magnum erfunden
Wir schreiben das Jahr 1989. Tim Berners Lee plant ein Projekt namens "World Wide Web" vor. Madonna bringt "Like A Prayer" heraus. Der Film "Rain Man" räumt bei der Oscar-Verleihung ab. Und ein junger Produktmanager entwickelt ein Eis am Stiel für Erwachsene, drei Jahre nach seinem Coup sagt er der Branche Adieu.
KURIER: Wie lautete der Auftrag, den Sie Ende 1988 bekamen?
Heinz Leopold: Ein großes Nogger zu erfinden. Im Jahr zuvor war das Cornetto Magnifico entstanden, nun wollte man ein großes Eis am Stiel. Das große Nogger hat nicht geschmeckt: Wir konnten nicht mehr als einen Biss davon essen: zu komplex, zu viel Kakao-Glasur im Mund. Im Nachhinein betrachtet klingt die Formel für das Magnum einfach, aber damals war es genial: die Haselstücke und das Schokolandeneis in der Mitte weglassen und die beste Eiscreme mit echter Schokolade umhüllen.
Ist es nicht seltsam, dass es nicht schon früher Eis aus echter Schokolade gab?
Der Bedarf war einfach nicht da und man hat nicht darüber nachgedacht. Das Kerngeschäft zielte auf Kinder ab: Der Kostenfaktor ist bei Schokolade erheblich. Kinder und Schokolade – das wollten auch die Eltern nicht. Ein Magnum ist von der Größe her eine kleine Mahlzeit, also für kleine Konsumenten zu groß.
Damals haben Erwachsene ein Eis gegessen, wenn sie mit ihren Kindern unterwegs waren. Bereits für 14- und 15-Jährige war es uncool, Eis am Stiel zu essen. Wir hatten mit der umgekehrten Alterspyramide zu kämpfen: Die Kinder der Babyboomer wurden erwachsen, wie die älter werdende Kundschaft halten? Das Eis-Geschäft war im Auge der Fimen-Strategen ein schwindender Markt.
Heute müssen Produkte auf eine bestimmte Art rascheln oder knacken.
Bei Kundenbefragungen wurden sie ja rot als junger Mann, wenn sie hörten, woran die Kunden beim Eis essen dachten. Die Erfindung des Magnums erfolgte sicher nicht nach dem Lehrbuch: Von August 1988 bis Jänner 1989 dauerte die Produktentwicklung. Das Knacken der Schokolade war in diesem Zusammenhang nicht explizit geplant. Es ist einfach die Konsequenz der dicken Hülle aus Schokolade. Erst die Werbung der späteren Jahre überhöhte dann das Knacken, weil wir von den Konsumenten gelernt hatten, dass ihnen dieser Unterschied bedeutend war.
Wie haben Ihre Chefs reagiert?
Nicht positiv, die Reaktion war "Wie können Sie ein Eis für zwei Mark verkaufen, das nicht einmal Haselnusstücke hat?". Jedes Jahr gab es im Bereich des Impulseises sechs Innovationen, darunter eben auch Magnum. Ich hatte gehofft, dass das Produkt vielleicht ein Jahr überlebt. In den ersten zwei Jahren hatten wir ständig wegen der großen Nachfrage einen ungewollten Engpass in der Produktion. Eines Tages bin ich zu einem Kiosk gegangen und wollte ein Magnum kaufen. Daraufhin beginnt der Verkäufer auf die Hersteller zu schimpfen, dass diese mit der Lieferung nicht nachkommen würden. Daraufhin sagte ich, ich käme am nächsten Tag, um eines zu kaufen. Daraufhin meinte er, es seien bereits 15 Stück reserviert. Da wusste ich, dass es anders war als bei anderen Eissorten. Dabei handelte es sich um keine geplante Marketingstrategie, aber für die Kunden war klar , wenn ein Produkt rar ist, dann muss es auch gut sein. Zusätzlich zu diesem Hype haben wir auch noch weitere Geschmacksrichtungen wie Magnum Mandel und Magnum Weiss eingeführt und somit der Konkurrenz keine Nische überlassen.
Überspitzt: Ein Cornetto bekommt man als Eis im Stanitzel auch im Eissalon, das Magnum nicht. Zur damaligen Zeit gab es keine vergleichbaren Eissorten. Es war so, als gäbe es nur Toyotas –und auf einmal kommt ein Ferrari um die Ecke. Das Magnum ist inzwischen die Ikone des Erwachsenen-Eises und hat somit die hedonistische Strömung der 90er überdauert. Das hätte ich mir damals nicht träumen lassen.
Eine groß angelegte Umfrage des Marktforschungsinstituts market im Auftrag von Eskimo kam zu dem Ergebnis, dass für 89 Prozent der Österreicher zwischen 22 und 49 Jahren das Genießen von schönen Momenten im Leben wichtiger ist als Geld, gesellschaftliches Ansehen oder Karriere. Das widerspricht einer von Forsa parallel durchgeführten Befragung, wonach 86 Prozent der Deutschen Geld und Ruhm wichtiger ist.
Gefühlter Zeitmangel (70 Prozent) und permanente Vernetzung (32 Prozent) sind die Hauptfeinde des Genusses. Am ehesten würden die Österreicher auf Fernsehen (30 Prozent) oder den nächsten Karriereschritt (29 Prozent) verzichten, um das Leben mehr genießen
zu können. Auf Handy und Internet würde nur eine kleine Minderheit verzichten.
Besonders interessant: Anders als die Deutschen glauben die Österreicher, dass das derzeitige Alter das richtige Alter ist zum Genießen ist. Die Deutschen hingegen sehen die Jugend als die richtige Zeit für Genussmomente.
... wir das Speiseeis vermutlich den Chinesen zu verdanken haben? Ende des 13. Jahrhunderts berichtete Marco Polo von der Eisherstellung in China. Von Italien aus trat Speiseeis schließlich den Siegeszug nach Mitteleuropa an.
... es Eis bereits in der Antike in Europa gab? Der griechische Dichter Simonides von Keos beschrieb das Sorbet-ähnliche Eis als Gletscherschnee, das aus Früchten, Rosenwasser und Honig bestand.
... das erste Rezept für Milcheis 1597 in dem Kochbuch „Ein köstlich new Kochbuch von allerhand Speisen“ von Anna Wecker stand? Für das Dessert empfahl sie eisgekühlten Milchrahm.
... der Amerikaner Frank Epperson das Eis am Stiel erfunden hat? Nach seinen Erzählungen ließ er als Kind im Jahr 1905 ein Glas Limonade mit Löffel im Winter draußen stehen. Über Nacht gefror dieses zu Wassereis. 1923 meldete der Limonadenhersteller Epperson seine Idee als Patent an, im selben Jahr auch sein Landsmann Harry Bust unter dem Namen „Popsicles“.
... in Österreich das erste Eis am Stiel 1927 verkauft wurde? Zuvor gab es bereits Eis im Becher.
... in orientalischen Ländern gerne „Scherbet“ getrunken bzw. gelöffelt wird? Ursprünglich ein kühlendes Getränk, heute ein halb gefrorenes Dessert.
... die Österreicher seit Jahren den gleichen Eissorten die Treue halten? Je nach Umfrage rangieren Vanille, Stracciatella, Schokolade, Erdbeere und Haselnuss unter den fünf beliebtesten Sorten.
... wir im Schnitt 64 Kugeln Eis im Jahr schlecken?
... der Eis-Markt inklusive Speiseeis aus dem Supermarkt rund 318.000.000 Euro schwer ist?
... ein Physiker eine Eissorte entwickelt hat, deren Farbe sich von Blau über Pink zu Lila verändern kann, wenn man dran schleckt? Laut Formel verändert das Eis seine Farbe, wenn es steigender Temperatur, Oxidierung und Säure ausgesetzt ist.
... heuer Beereneis in allen erdenklichen Variationen Eis des Jahres ist.
... in Wien Ende des 19. Jahrhunderts nach einem Protest der Kaffeesieder der Verkauf via Eiswagerl stark eingeschränkt wurde? Folglich mussten die italienischen Eisverkäufer ihre Ware von einem fixen Standort aus feilbieten.
... in Vietnam ein violettes Eis namens Ube besonders beliebt ist? Das Eis wird aus einer speziellen Yamswurzel-Sorte hergestellt. Da Yams ähnlich wie Erdäpfel schmeckt, reagieren Touristen beim Kosten oft überrascht.
... in Brasilien aus Avocados süßes Eis hergestellt wird? Generell werden solche Shakes oder Eissorten als Vitamina bezeichnet.
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