Der Kaffee-Schwindel

Bis zu drei Tassen pro Tag sind gut, sagen Forscher.
Leopold Edelbauer vom Wiener Kaffee-Institut fordert gesetzliche Regelung im Kaffeegeschäft.
Der Kaffee-Schwindel

Im Gang der Volkshochschule Hietzing riecht es kräftig nach Menschen. In einem Kursraum findet gerade ein Fitness-Seminar statt. Nase zu und durch. Dann plötzlich das Aroma von frisch gerösteten Kaffeebohnen. Hier hat das Wiener Kaffeeinstitut sein Büro. Gefühlte tausende Gläser mit Kaffeebohnen verschiedener Provenienzen, Landkarten, ein leicht vergilbtes Farbposter, das eine barbusige Erntehelferin aus einem Kaffeeanbaugebiet zeigt, mehrere Espressomaschinen und Kaffeemaschinen, ein Schreibtisch. Von hier aus führt der als "Kaffee-Professor" bekannte Professor Leopold Edelbauer seinen Kampf gegen Ignoranz, Unwissenheit und Schwindel auf seinem Fachgebiet: Kaffee. Eine Wissenschaft ohne Zweifel. "Die Leute wissen nichts."

Der Kaffee-Schwindel

Alle? "Auch die Konsumentenschützer, die Leute in den Ministerien und die Zuständigen in Brüssel." Beim Kaffee ortet er einen großangelegten Schwindel bei den Angaben auf den Kaffeepackungen der Industrie. Er plädiert für die Angabe des Röstdatums auf der Kaffeepackung. Manche Röstereien rücken damit heraus, andere halten damit hinterm Berg. Eine Studie der Uni Wien, die dem Professor vorliegt, sagt, dass Kaffeebohnen im Lauf der Zeit nach dem Rösten viel von ihrem Aroma einbüßen. Ein Aroma ist ein flüchtiger Stoff, am Ende bleibt nichts mehr davon übrig. Das Ablaufdatum auf den Kaffeepackungen ist dieser Studie zufolge nicht aussagekräftig.

Der Kaffee-Schwindel

Der Professor lädt zu einer Vorführung. Wir kosten Kaffee, der vor drei Monaten geröstet wurde und den gleichen Kaffee, der am selben Tag geröstet wurde. Zu den Eingeladenen zählen neben dem Kurier-Redakteur der Wiener Kaffeeröster Christian Schrödl und Johann Brunner vom Österreichischen Kaffee- und Teeverband.

Diskussion

Der Kaffee-Schwindel

Der Kurier moderiert eine Diskussion zwischen den Herren Schrödl, Brunner und Edelbauer zum Thema Kaffeequalität, Kennzeichnungspflicht und Geschmack, von flüchtigen Aromen und dem Spritzen von Kaffee, was sich auf den Ertrag des Kaffees auswirkt.

Kurier: Herr Professor, wie sind Ihre Erkenntnisse aus den letzten Jahren?

Edelbauer: Wir haben zwei Jahre gearbeitet, monatliche Kontrollen im Labor. Die Veränderung war enorm. Geschmacklich und was die Inhaltsstoffe betrifft, hat sich verändert. Ich plädiere für eine Angabe des Röstdatums auf der Packung.

Kurier: Wer macht es denn nicht?

Edelbauer: Manche tun es, manche nicht.

Kurier: Also Konsumenteninformation, wie es den Produzenten gefällt ...

Edelbauer: Genau so. Der Gesetzgeber wäre gefordert. Aber die Antworten, die ich von den verschiedenen Ministern im Gesundheitsressort bekommen habe, sind nie befriedigend. Begonnen hat das mit dem Minister Außerwinkler. (War in den frühen 90er Jahren Mitglied der Regierung. Anm.)

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Kurier: Ist also schon eine Zeitlang her. Wenn ich im Supermarkt Kaffee kaufe, muss ich damit rechnen, dass der schon einige Monate in der Packung ist und das Aroma seinen Glanz verloren hat?

Brunner: Die Frage stellen sich ja täglich hunderttausende Konsumenten und per Abstimmung am Regal. Verfahren zur Konservierung werden von der Kaffee-Wirtschaft ständig optimiert. Wir arbeiten an der perfekten Verpackung und der optimalen Logistik. Ventilverpackung haben alle Firmen. Die andere Technik ist die Vakuumverpackung. Alles, was die EU vorschreibt, wird von der Kaffee-Wirtschaft eingehalten.

Edelbauer:  Sich auf die EU und ihre Vorschriften zu berufen bringt nichts. Das größte Problem ist nämlich: Die kennen sich mit Kaffee nicht aus. Der Röster kann machen, was er will.

Schrödl: Es gibt kein Gesetz für Kaffee. Kein Zweifel ist, dass ein frisches Lebensmittel besser ist.

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Kurier: Was auf jeden Fall gilt, ist das Mindesthaltbarkeitsdatum (MDH). Was sagt uns das eigentlich?

Brunner: Das MHD ist das Datum, bis zu dem das Lebensmittel seine charakteristischen Eigenschaften behält. Die Engländer sagen: Best before. Leider wissen viele Konsumenten nicht, dass man ein Lebensmittel auch nach dem Ablaufdatum noch zu sich nehmen kann.

Schrödl: Wenn man zurückrechnet, kommt man vom Haltbarkeitsdatum auf das Röstdatum. Meistens sind es drei Monate.

Kurier: Noch einmal: Was ist jetzt, wenn ich im Supermarkt Kaffee kaufe?

Schrödl: Nichts, was man im Supermarkt kauft, ist irgendwie verdorben oder gesundheitsschädlich. Soviel ist klar.

Kurier: Das ist ja beruhigend …

Schrödl: Das große Aber: du kriegst dort natürlich nicht so einen Kaffee wie bei mir in meinen kleinen Laden, wo es wirklich frisch geröstet ist. Heißt also: nicht länger her als ein paar Tage maximal.

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Edelbauer: Die Veränderung des Kaffees ist erwiesenermaßen vorhanden.

Kurier: Die Milch und die Butter im Supermarkt sind auch frisch. Sie haben sogar frischen Orangensaft. Warum kann man Kaffee nicht auch so produzieren, dass er so frisch wie die Milch in den Supermarkt kommt? Ich frage das jetzt als Depp, der einkaufen geht und sich nicht auskennt.

Brunner: Der Kaffee wird so gemacht, wie es logistisch möglich ist, so gut geschützt, wie es möglich ist. Der Konsument wird nicht getäuscht.

Kurier: Aber wenn das Röstdatum so wichtig ist, warum steht das nicht auf der Packung?

Schrödl: Es sollte einen Hinweis geben, verbunden mit dem Röstdatum. Dann würde niemand mehr einen acht Monate alten Kaffee kaufen zum Beispiel. Es geht ja nicht nur ums Mindesthaltbarkeitsdatum. Die Qualitäten sind teilweise überhaupt schrecklich. Die Österreicher gehen langsam weg vom Melangetrinken, vom Filterkaffeetrinken. Das G`schlader, das oft zum Beispiel in Büros serviert wird, ist kein Kaffee.

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Kurier: Kommen wir noch einmal zum Thema Arabica und Robusta. Wir hören, Arabica wäre der feinere Kaffee. Was macht man eigentlich mit Robusta?

Edelbauer: Die Italiener verwenden ihn, machen schwarze Röstung, decken damit die mindere Qualität zu.

Kurier: Bei knapper Kalkulation ist also Rubosta ein Thema.

Edelbauer: Robusta macht Magenschmerzen. Viele Leute, die Arabica pur trinken, haben das Problem nicht mehr. Auch kein Sodbrennen mehr.

Edelbauer: Manche Firmen mischen bis zu 60% Robusta hinein. Und sie schreiben davon nichts auf die Packung.

Kurier: Das darf man?

Schrödl: Man darf alles. Das ist es ja. Man kann alles auf die Packung schreiben. Oder nicht schreiben.

Brunner: Der Lebensmittelkodex definiert, was darf drinnen  sein, was darf nicht hinein.

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Kurier: Ist es trotz unserem Lebensmittelgesetz möglich, dass es da noch eine Nische gibt, wo man was tun müßte?

Schrödl: Ich würde mir strengere Gesetze wünschen. Beim Kaffee gibt es keine Kennzeichnungspflichten wie bei Schokoriegeln.

Brunner: Ich bin dagegen, dass immer alles geregelt wird. Der Kodex regelt, was von allen Seiten betrachtet, notwendig ist. Es muss auch ein Freiraum sein für die Kommunikation zwischen Hersteller und Kunden.

Edelbauer: Ich frage Sie: Ist das ein Freiraum, wenn ich Robusta reintue und Arabica draufschreibe? Ist das ein Freiraum?

Brunner: Ich kann mit diesen Unterstellungen nichts anfangen.

Schrödl: Als Kleinproduzent freue ich mich über diese schwammige Regelung. Denn ich kriege täglich mehr Kunden. Denen sage ich: Bei mir müssen Sie Kaffee trinken neu lernen.

(Während des Gesprächs wird im Büro frischer Kaffee gemahlen. Es duftet herrlich.)

Kurier: Macht der Verband etwas, um die Leute aufzuklären?

Brunner: Wir sind dabei. Es gibt ja einen Trend zu mehr Qualität in vielen Bereichen. Genießen kann nur, wer sich auskennt.

Edelbauer: Da sind wir uns wenigstens einig.

Kurier: Andererseits kann man ja nicht davon reden, dass das Geschäft vollkommen ohne Reglementierung auskommt, oder?

Schrödl: Leider nein. Die Finanz schreibt den Gastronomen vor, wie viele Tassen Kaffee aus einem Kilo Kaffee kommen müssen.

Kurier: Das heißt, wer mehr als das Minimum verwendet, hat Erklärungsbedarf. Man vermutet, er würde schwarz dazuverdienen ...

Schrödl: Genau. Qualitätsbewußtsein musst du vor dem Finanzamt rechtfertigen.

(Am Ende des Gesprächs wird frisch gemahlener Kaffee gegen einen vor sechs Monaten gemahlenen, perfekt im Glas aufbewahrten Kaffee verkostet. Das Ergebnis ist leider eindeutig: der frische Kaffee schmeckt eindeutig besser.)

Kurier: Es gäbe noch einige Dinge, zum Beispiel die Frage nach dem Spritzen der Bohnen, die ja das Bohnengewicht vergrößert.

Edelbauer: Das Gewicht nimmt dabei um 5-6% zu. Keine Kleinigkeit, wenn es um Tonnen geht, die gewogen und nach Gewicht verkauft werden. Auch hier sage ich: Man soll es nicht verbieten, aber auf der Packung kennzeichnen. Dafür plädiere ich seit Jahren. Doch die Gesetzgeber tun genau - nichts.

Kurier: Meine Herren, der Kurier dankt für das Gespräch.

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