Der Boom der Bio-Restaurants
"Bei uns sind die Strohhalme aus echtem Stroh. Der eine oder andere Kunde hat sich schon beschwert, wir seien rückständig – ich finde, wir sind das Gegenteil", sagt Gerold Hubmer. Der Ebenseer führt das "Karl-Ludwig-Haus" auf der steirischen Rax. Seit er das Schutzhaus vor sieben Jahren als Pächter übernommen hat, ist der Betrieb auf fast 2.000 Metern Höhe Bio-zertifiziert.
Nachhaltigkeit wird auf der Hütte überall mitgedacht. Von den erwähnten Trinkhalmen über die Gästebettwäsche, Ökostrom und Putzmittel bis hin zu den Lebensmitteln, die in der Küche verkocht werden, wird alles sorgfältig nach ökologischen Prinzipien ausgewählt. "Die Dosensuppe kommt mir nicht ins Haus", bringt Hubmer seine Philosophie auf den Punkt.
Bio-Schwindel
Die Herausforderung liegt für den erfahrenen Wirt nicht in der Vermeidung von Lebensmittelmüll oder dem Aufspüren hochwertiger Zutaten: "Die größte Hürde sind Trittbrettfahrer, die sich regional und Bio an die Fahnen heften, es aber nicht sind." Die Wurzel dieses Problems sieht Hubmer, der auch Obmann der österreichischen Gastronomen-Vereinigung "Die BiowirtInnen" ist, in der fehlenden Bio-Zertifizierungspflicht. "Jeder Bauer oder Händler, der Bio auslobt, muss Bio garantieren. Der Gastronom muss das nicht."
Hubmer ist, wie auch andere Mitglieder der "BiowirtInnen", freiwillig Bio-zertifiziert. Die Betriebe lassen sich regelmäßig dahingehend kontrollieren und kommen selbst dafür auf. "Solange es keine Verpflichtung gibt, wird es schwarze Schafe geben – und Bio und regional werden Schlagworte bleiben, die der Kunde nicht überprüfen kann", sagt Hubmer.
Tatsächlich können Gäste im Restaurant selten erkennen, ob auf Tierwohl und Ökologie geachtet wird. In der Wiener Gastronomieszene lässt das Gütesiegel "Natürlich gut Essen" der Stadt Wien erkennen, ob in einem Lokal Bio-Fleisch oder -Gemüse zum Einsatz kommt sowie Regionalität und Saisonalität großgeschrieben werden. Für das Gütesiegel verpflichten sich Betriebe zu geförderten Beratungsstunden. Als Selbstbehalt bleiben Kosten von zwischen 300 und 500 Euro.
Eines der ersten Lokale, das damit ausgezeichnet wurde, war das "Deli Bluem" im 8. Bezirk. Besitzerin Andrea Vaz-König setzt in ihrem veganen Restaurant schon immer auf Nachhaltigkeit: "Ich beschäftige mich schon lange mit diesem Thema und wollte zeigen, dass sich Wirtschaftlichkeit und Ökologie nicht ausschließen." Für die studierte Betriebswirtin besteht darin kein Widerspruch, im Gegenteil: "Wenn ich wirtschaftlich handeln will, muss ich schauen, dass ich mir Ressourcen, die ich brauche, nicht abgrabe – wo wir auch schon bei der Nachhaltigkeit wären."
"Grün" essen
Weil umweltschonendes Essen für Vaz-König nicht ohne bewussteren Konsum von Fleisch und Tierprodukten auskommt, servieren ihre Mitarbeiter im "Deli Bluem" ausschließlich pflanzliche Speisen.
Ganz und gar "grün" kocht man seit 2013 auch im "Green Garden" in Salzburg. Spezialisiert ist der Betrieb auf vegetarische und vegane Küche, wobei der Großteil der angebotenen Speisen rein pflanzlich ist. "Für uns ist wichtig, dass wir so wenig Nahrung wie möglich wegschmeißen. Wir haben uns deshalb für ein kleines Menü entschieden, dafür wird alles täglich frisch zubereitet", sagt Geschäftsführerin Larissa Andres.
Beim Versuch, möglichst nachhaltig zu handeln, stößt das Team um Eigentümerin Julia Platzer an Grenzen: "Es braucht auch ein Eingreifen auf umweltpolitischer Ebene, sonst stehen wir vor demselben Problem, wie der einzelne Konsument, der beim Einkaufen Plastikverpackungen meiden möchte: In vielen Fällen ist das derzeit nur schwer umsetzbar", sagt Andres.
Dass die Umstellung auf nachhaltige Produktion auch in großen Betrieben möglich ist, zeigt Gastronomin Marianne Kolarik, die das beliebte Wiener Ausflugslokal "Die Praterfee" leitet. Dass ein Praterlokal komplett auf biologische Produkte umstellt, ist ungewöhnlich. Kolarik hat es dennoch umgesetzt. Auch sie wurde mit dem "Natürlich gut Essen"-Gütesiegel ausgezeichnet.
Die größten Hürden lagen in der Fleischbeschaffung. Immerhin umfasst allein der Bedarf an Schweinestelzen 60 bis 70 Tonnen pro Jahr. Das Problem dabei: "Jedes Schwein hat nur zwei Stelzen. Und so viele Bio-Schweine, wie wir brauchen, gibt es in ganz Österreich nicht – haben wir jedenfalls gedacht", erinnert sich Kolarik. Letztendlich wurde man in Österreich fündig, der Partner garantiert die Lieferung mit Bio-Stelzen.
Bewusst gestalten
Eine steigende Nachfrage nach grünen Gastro-Angeboten beobachtet Catharina Priemer-Humpel. Sie führt das Wiener Lokal "Das Augustin" seit 2015 in dritter Generation. Für die Unternehmerin hat Nachhaltigkeit bei der Weiterentwicklung des Betriebs Priorität, "aber wir wollen auch das alte Flair bewahren". Inmitten der alten Wandvertäfelung aus Holz und 50-er-Jahre-Möbel serviert die Gastronomin Kaffee, Tee, Butter und Eier aus biologischen Anbau sowie Waldviertler Milch. Die Strohhalme sind kompostierbar, die Take-away-Behälter aus recyceltem Karton, das Reinigungsmittel umweltfreundlich.
Dass ihr Betrieb kein Gütesiegel trägt, ist für sie momentan zweitrangig: "Ich versuche, im Kleinen so ökologisch wie möglich zu agieren. Das umfasst für mich auch, dass ich teurere, langlebigere Geräte anschaffe und meine Mitarbeiter fair entlohne."
Bewusster mit Ressourcen umzugehen, ist auch Erwin Kasper wichtig. Der Vorarlberger Gastronom hat in der Feldkircher Altstadt vor drei Jahren das "Magma" gegründet. Für Kasper fängt Nachhaltigkeit beim Einkauf an: "Wir fragen uns, was und wie viel wir brauchen und was wir daraus machen. Die Antworten kommen in der Küche zusammen." Im "Magma" bietet der Inhaber auch Kochkurse an. In den Workshops zeigt er Gästen, "wie eine Kartoffel wirklich schmeckt und dass handelsübliches Ketchup nicht viel mit echten Tomaten zu tun hat".
Der Kunde bestimmt mit
Dass er Wert auf hochwertige Produkte und kurze Transportwege legt, ist nicht selbstverständlich. "Wenn ich erzähle, dass ich Fleisch vom Fleischhauer meines Vertrauens beziehe, schmunzeln die Leute, dabei sollte es normal sein, Waren zu kaufen, deren Ursprung man kennt." Mittags herrscht im "Magma" Hochbetrieb. Die Menüs holen sich viele zum Mitnehmen. Wie im Wiener "Augustin" setzt man bei Take-away-Bechern auf Recycling-Karton. "Und wir ermutigen Kunden, eigene Behältnisse mitzubringen."
Die Gäste nimmt auch Gerold Hubmer in die Pflicht. "Nur wenn nachhaltiges Denken gelebte Realität wird, kann sich etwas verändern. Ich erwarte also, dass die Leute zweimal überlegen, ob sie mit dem Zug oder dem Auto zu uns kommen."
Tag der nachhaltigen Gastronomie: Am 18. Juni rufen die Vereinten Nationen weltweit Gastronomen dazu auf, nachhaltig einzukaufen.
Natürlich gut essen: Auf eine nachhaltige Unternehmensführung umzusteigen, fällt vielen Gastronomen schwer. Um veränderungswillige Betriebe bei der Umstellung zu unterstützen, hat die Stadt Wien das Beratungsprogramm "Natürlich gut essen" ins Leben gerufen.
Unverschwendet: Das Wiener Start-up verarbeitet Obst und Gemüse von landwirtschaftlichen Betrieben im Großraum Wien, das sonst weggeworfen werden würde. Seit 2017 werden auch Gastronomie-Betriebe mit den nachhaltigen Marmeladen, Chutneys und Sirupen beliefert.
Sud und Satz: Das Green-Business recycelt seit über zwei Jahren Wiener Kaffeesud zu hochwertigem Biodünger.
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