Brotbacken mit selbst gemachtem Hefewasser: So einfach geht das
Brotbacken ist faszinierend – „einmal davon in Bann gezogen, lässt es einen nicht mehr los. Man sucht sein persönliches Abenteuer“, schwärmt Alexander Melanidis. Der Foodblogger mag Brote mit großen Poren in der Krume - eine Herausforderung. Melanidis Blog „#brotokoll by Alex" wurde mit dem Austria Food Blog Award als Newcomer des Jahres ausgezeichnet, seine Brotkreation „Wilde Emma“ belegte 2018 den zweiten Platz beim Hobbybäcker-Wettbewerb des Brotbackfestivals „Kruste & Krume“. Eine Spezialität aus Emmer, für die der Brotexperte Triebmittel selbst hergestelltes Hefewasser verwendete. Eine spannende, eher noch unbekannte Alternative zu Sauerteig oder Germ. Hier verrät Melanidis die Geheimnisse des Hefewassers - und Nebeneffekte des Brotbackens.
Was Hefewasser ist - und woher es kommt:
Wilde Hefen umgeben uns überall: in der Luft, auf allen Pflanzen, Kräutern, Gemüse und Obst. Sie konzentrieren sich überall dort, wo sie optimale Lebensbedingungen vorfinden. Um diese Hefen verwenden zu können, sucht man also einfach Orte, an denen es viele dieser guten Hefen gibt. Das sind etwa Obst, Gemüse, Kräuter, Blütenblätter, Trockenfrüchte. Dazu kommen Wasser, Zucker als Hefefutter und die passende Temperatur. Schon fangen die Hefen an, zu wachsen und produzieren Kohlendioxid, das beim Teigansetzen den Teig lockert bzw. gehen lässt. Hefewasser ist also ein selbst hergestelltes Triebmittel, das sich bestens eignet, um vollkommen natürlich fermentiertes Brot und Gebäck herzustellen.
Über die Vorteile des Hefewassers:
"Hefewasser ist eine sehr unkomplizierte und doch raffinierte Alternative. Für mich vorrangig, um keine industrielle Hefe verwenden zu müssen, aber auch zum Sauerteig. Unkompliziert deshalb, da es bei weitem nicht dieselbe Pflege benötigt wie ein Sauerteig und man rasch eine sehr stabile Hefewasserkultur herstellen kann. In 2-5 Tagen ist das Hefewasser einsatzbereit. Pflege benötigt es so gut wie keine. Mit der Fütterung von 1/2 - 1 Teelöffel hochwertigen Zuckers (ich bevorzuge Kokosblütenzucker) alle 7-10 Tage ist es schon getan."
Warum Brote mit Hefewasser bekömmlicher sind:
"Durch den erhöhten Zeitbedarf, den das Hefewasser benötigt, um diese Teige zu treiben, werden bestimmte Stoffe im Mehl abgebaut, die bei zu kurzer Gehzeit Bauchschmerzen und das häufig diskutierte Reizdarmsyndrom auslösen. Das gilt für alle Getreidesorten. Auch für den Weizen, der zu Unrecht verteufelt wird. Nicht der Weizen ist Schuld sondern die beschleunigte bzw. verkürzte Gehzeit von Teigen. Das ist das Hauptproblem von industriell gefertigten Hefe-Produkten, dem wir als Homebaker neben vielen Handwerksbäckern mit natürlichen bzw. langgeführten Fermentationsmethoden zum Glück wieder entgegenwirken. Wie beim Sauerteig gibt es auch genügend Menschen, denen der Hefegeschmack nicht zusagt oder die selbst geringe Hefemengen nicht vertragen. Auch für diese ist Hefewasser eine tolle Alternative."
Worauf man beim Hefewasser unbedingt aufpassen muss:
"Besonders wichtig: unbedingt ein Fermentiergefäß zum Ansetzen und Lagern verwenden. Warum? Während des Fermentationsprozesses entsteht großer Druck (Kohlendioxid). Hier kam es nicht nur selten vor, dass sowohl Glas als auch Plastikflaschen explodiert sind . In einem (günstig erhältlichen) Fermentierglas mit speziellem Druckventil-Deckel schlägt man zwei Fliegen mit einer Klatsche: Zum einen gibt es keine Gefahr des Überdrucks. Zum anderen haben die Hefen eine gut isolierte Umgebung, um sich optimal zu entwickeln. Die Temperatur spielt ebenso eine entscheidende Rolle. Optimal sind 25-28 Grad (letzteres erreicht man etwa im Backrohr bei ausgeschaltetem Licht). Unter 23 Grad wird es schon sehr kritisch, denn die Hefen benötigen die Wärme um sich optimal entwickeln und vermehren zu können."
Welche Früchte, Kräuter, Blätter und Blüten sich besonders für Hefewasser eignen:
"Es eignet sich so gut wie alles. Der Kreativität sind keine Grenzen setzt. Das ist das Raffinierte: Tomate & Basilikum, Kurkuma, Granatapfelkerne, Rosinen, Apfel, Rosenblütenblätter...und und und. Man kann sich im wahrsten Sinne des Wortes in der Botanik austoben. Ausnahmen: Ananas und Papaya enthalten bestimmte Enzyme, die im späteren Verlauf das Glutengerüst des Teiges zusammenbrechen lassen. Wenig optimal sind auch Kiwi und Zitrone. Der Klassiker sind Rosinen. Meine persönlichen Highlights sind getrocknete ungeölte und ungesalzene Tomaten, lila Karotten, Äpfel, Birnen. Auch Zwetschgen und Marillen sind toll (können jedoch in Kombination mit Vollkornmehl und/oder Nüssen auch die Gluten auffressen). Ich empfehle, bei den Früchten für das Hefewasser auf unbehandelte, ungeschwefelte Bio-Produkte zu setzen, die möglichst ungeölt und v.a. ungesalzen sind. Salz hemmt die Hefeaktivität. Es lässt sich übrigens nicht nur das Hefewasser, sondern auch die darin fermentierten Früchte verwenden, indem man diese püriert und mit Mehl vermischt und so einen festen Vorteig herstellt."
Wie Hefewasser-Brot schmeckt:
"Im direkten Vergleich zu Sauerteig-Backwaren haben Hefewasser-Brote oder Backwaren keine Säure. Das liegt daran, dass im Hefewasser andere Bakterienstämme vorkommen als im Sauerteig. Es gibt einige Menschen, die der Säure wegen Sauerteigbrote meiden. Hier bietet sich Hefewasser als perfekte Alternative an. Außerdem: Aufgrund der fehlenden Säure ist es möglich, mit Hefewasser die Teige besonders lange gehen zu lassen. Der Pizzateig, der demnächst im Blog erscheint, geht in Summe mehr als 100 Stunden bis die Pizza gebacken wird. Das hat zum einen den Vorteil der Zeitplanung, so lässt sich beispielsweise ein Brot schon Tage davor fürs Wochenende ansetzen. Zum anderen bringen sogenannte langzeitgeführte Teige ein viel tieferes Aromenspektrum mit sich. Zeit bringt Geschmack. Manche empfinden eine gewisse Süße, das lässt sich aber nicht immer bestätigen. Die für das Hefewasser verwendeten Früchte dringen selten geschmacklich durch - Ausnahme sind besonders intensive Dinge wie etwa Liebstöckl - hier wäre ich vorsichtig, es sei denn man erfreut sich an einem Brot, das nach Maggi schmeckt."
Warum Brotbacken entschleunigt:
Wenn ich Brot backe oder ein Rezept entwickle, ist es, als würde ich in eine magische Welt eintauchen. Jedes Brot hat seine eigene Geschichte, die an Spannung, Freude, Genuss, Erfolg aber auch Misserfolg schwer zu überbieten ist. Letzteres ist insofern wichtig, als aus Misserfolgen schon die besten Rezepte entstanden sind. Seit kurzem mahle ich mein Getreide selbst. In unserer schnelllebigen Welt, ist es ein traumhaftes Gefühl, alles selbst in der Hand zu haben. Von der Auswahl des Korns, die Komposition der Zutaten, über das selbst und natürlich hergestellte Triebmittel bis hin zum fertigen Brot. Oft werde ich gefragt, ob es sich auszahlt 24 Stunden oder sogar Tage für einen Laib Brot zu investieren. Es erdet ungemein. Etwas selbst mit eigener Hand zu erschaffen ist in der heutigen Zeit selten geworden.
So gelingt Hefewasser:
Zutaten: 600g lauwarmes Wasser, 200g Früchte, Gemüse, Kräuter, Blütenblätter – getrocknet oder frisch, ungeschwefelt, ungesalzen(bei Kräutern oder Blättern reicht weniger Menge), 20g Kokosblütenzucker, 1 Fermentierglas (mit Druckventildeckel).
Zubereitung: Früchte klein schneiden, mit Wasser und Zucker gut vermischen. Ins Gefäß füllen, dieses bei 25-28 Grad (etwa im Backrohr bei Licht) warm stellen. Nach 3-5 Tagen ist das Hefewasser fertig. Während dieser Zeit Gefäß einmal täglich schütteln, da sich die Hefen am Boden absetzen. Fertig ist es, wenn man sieht, dass die Früchte oben zu schwimmen beginnen. Test: 30g Mehl und 30g Hefewasser verrühren und in einem hohen Gefäß über Nacht stehen lassen. Verdoppelt sich die Menge ist das Hefewasser startklar. Es wandert nun für die weitere Lagerung in den Eiskasten. Vor Verwendung immer gut durchrühren. Füttern alle 7-10 Tage : 1/2-1 TL Kokosblütenzucker einrühren, etwa 1 Stunde bei Raumtemperatur stehen lassen und wieder in den Eiskasten geben.
Tipps: Um das Hefewasser zu verwenden, wird damit ein Vorteig gemischt, der, je nach Triebkraft des Hefewassers, 6-12 Stunden benötigt, um einsatzbereit zu sein. Vorteig heißt, dass ein bestimmter Anteil des gesamten Mehls laut Rezept schon vor dem Mischen des Hauptteigs angesetzt wird. Das führt zur Vermehrung der Hefen, besserem Geschmack, besseren Ofentrieb (Volumen des Brotes) und zur teilweisen Ausbildung der Gluten (bessere Verträglichkeit). Der Vorteig, der aus Hefewassers hergestellt wird, besteht (meist) aus gleichen Teilen Hefewasser wie Mehl (Bsp: 100g Hefewasser 100g Mehl.....je länger der Brotteig gehen soll, desto weniger Vorteig wird angesetzt).
Wer mehr über Hefewasser erfahren möchte: Alexander Melanidis veranstaltet eigene Hefwasser & Sauerteig-Workshops. Nächste Termine: 29. & 30. März, 6 . April, 11. Mai.
Brotfestival Kruste & Krume: Auch heuer findet am 23. März von 9 bis 19 h wieder das große Brotfestival statt - mit vielen spannenden Workshops zum Thema Backen und Brot. Zentrales Thema: Backen mit alten Mehlsorten. Achtung, neue Location: Marx Halle Wien, Karl-Farkas-Gasse 19, 1030 Wien. Tickets online oder an der Tageskassa.
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