Bei Bio sind wir Spitze, aber ...
In Nürnberg findet gerade eine der wichtigsten Messen für Biolebensmittel statt. Von dort hört man Erfolgsmeldungen aus Österreich, aber auch Beunruhigendes über die österreichische Biobranche. Jahrelang sprach man vom Boom der Biomarken und –Produkte in Österreich. Tatsächlich liegt das Land damit an der europäischen Spitze. Doch jetzt scheint der Boom fürs erste einmal gestoppt. Nach Jahren mit deutlichen Zuwachsraten ging der Umsatz von Bio-Frischwaren (exklusive Brot) 2011 im heimischen Lebensmitteleinzelhandel um 0,6 Prozent auf 304,4 Mio. Euro zurück. Was hat die Laune der Konsumenten beeinflußt? Die Frage beantwortet Stephan Mikinovic, Geschäftsführer der AMA-Marketing, bei der weltgrößten Biofachmesse in Nürnberg: "Die Krise und die Spardiskussionen sind schuld."
Kritik
Doch es ist nicht nur die Krise, sondern ein Buch, das den österreichichen Biobauern und dem Lebensmittelhandel wie ein Insektenbefall der Branche vorkommt. Das Buch heißt "Der große Bio-Schmäh" und sein Autor Clemens G. Arvay, Wiener Agrarbiologe, wird seit Wochen von Interview zu Interview herumgereicht. Er kritisiert in seinem Buch vor allem die Bio-Eigenmarken der großen heimischen Supermarktketten und die damit verbundenen Produktionsmethoden. Massenproduktion und Bio, das geht nur, wenn die Konsumenten nicht genau wissen, wie es geht, so der Autor. Die Werbung der Lebensmittelhändler für Bioprodukte hält er schlichtweg für einen Schmäh. Das Buch ist nicht mehr wegzudiskutieren.
Verteidigung
Die Organisation der heimischen Biobauern, Bio Austria, sah sich gestern genötigt, eine vierseitige Stellungnahme zu veröffentlichen. "Oberflächliche Bewertungen der landwirtschaftlichen Praxis wie `klein ist gut` und `groß ist schlecht` und `früher war besser` dienen weder einer fundierten sachlichen Diskussion noch schaffen sie Aufklärung bei den KonsumentInnen", betonten die Biobauern. "Alles, was stimmt in dem Buch, müssen wir ändern", sagte hingegen "Toni`s Freilandeier"-Chef Toni Hubmann. Eine Pauschalkritik an den Lebensmittelhändlern lässt Hubmann aber nicht gelten: Der Lebensmittelhandel mache "im Bereich Bio eine gute Arbeit".
Lob
Der Bio-Austria-Obmann Rudi Vierbauch lobt die Supermarktketten: Die Werbung komme auch den Biobauern zugute, betonte er. Er muss loben, schließlich handelt es sich hier um eine klassiche Lieferantenposition. Allerdings sagt Vierbauch, man müsse sich "dem System aussetzen", aber darauf "achten, dass die Biobauern nicht zu kurz kommen". Womit er zugibt, dass da nicht alles perfekt läuft. Auch der Bereich Direktvermarktung sei weiterhin zentral, um unabhängiger vom Handel zu sein, sagt er schließlich.
Gegen Industrialisierung
Über die Probleme der Bio-Produzenten mit dem Handel klagt auch Sonnentor-Tee-Produzent Johannes Gutmann in Nürnberg. Sonnentor liefert lieber an den Fachhandel und Franchise-Partner, als sich auf Supermarkt- und Drogerieketten einzulassen. Dort werde nach dem Motto "heute geliebt, morgen gedrückt und übermorgen ausgelistet" mit Lieferanten verfahren, kritisiert Gutmann. In Österreich bauen rund 150 Bauern für Sonnentor Kräuter an und damit kann das Unternehmen rund 60 Prozent seiner Rohstoffe aus dem Inland zu beziehen. Sonnentor will in den kommenden Jahren aber nicht zu schnell wachsen, um "nicht in die industrialisierte Richtung abzugleiten".
Österreich Spitzenreiter bei Bio
Ein paar Zahlen: Derzeit gibt es in Österreich rund 22.000 Biobauern, das sind 16,2 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe. In den vergangenen 10 Jahren ist die Anzahl der Biobetriebe nicht stark gestiegen, die biologisch bewirtschaftete Fläche hat sich aber stark ausgeweitet und liegt bei 19,5 Prozent. Österreich ist damit weltweit Spitzenreiter, nur die Falkland-Inseln haben mit 35,9 Prozent und Liechtenstein mit 27,3 Prozent einen höheren Bio-Flächenanteil. Salzburg hat laut Grünem Bericht 2011 den höchsten Öko-Flächenanteil mit 43,4 Prozent, gefolgt von Tirol mit 21 Prozent.
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