Warum die Schweizergarde auf Rüstungen aus Oberösterreich setzt
In Molln fertigt die Schmiede Schmidberger historisch authentische Rüstungen für die Schweizergarde im Vatikan. Ein Blick in die Werkstatt.
Hier entstehen heiße Eisen für den Vatikan.
Funken springen durch die Luft, als Georg Schmidberger in der Schmiede im oberösterreichischen Molln eine glühende Stahlstange aus der Esse, der offenen Feuerstelle, zieht. Am Amboss schlägt er mit dem Hammer auf das glühende Ende, bis aus dem rohen Werkstoff eine Spitze emporwächst. Funkelnde Spritzer fliegen umher, das Metall leuchtet orange in der Düsternis des trüben Tages.
Schmidberger selbst wirkt, wenn er hier mit Lederschürze arbeitet, wie eine Figur aus einer anderen Zeit: ein dichter Bart, die Unterarme wie Stahlträger. Jeder Schlag mit dem schweren Hammer ist präzise. Schon sein Händedruck zeugt von seiner Kraft.
Schmied Georg Schmidberger hämmert den zuvor im Feuer gelagerten Stahl zurecht. Hier entstehen derzeit Schwerter für die Schweizergarde.
©Harald DostalDie Werkstatt, in der Georg mit seinem Sohn Maximilian und seinem Bruder Johann „Hans“ Schmidberger werkt, ist ein Kosmos aus Metall und Kohle: schwarze Wände, durchzogen von Rußspuren, Ambosse, Schraubstöcke und Zwingen säumen den Raum. Es riecht nach Kohlenrauch.
Was die kleine Schmiede alles herstellt
Hier in Molln am Rande des Nationalparks Kalkalpen entstehen Fenstergitter aus Schmiedeeisen, aber auch historische Eisenkassetten, Harnische, Helme, Schwerter, Degen und Hellebarden. Die Rüstungen und Hieb- und Stichwaffen glänzen auch in der Schweizergarde im Vatikan.
„Gerade arbeite ich an Schwertern. Wir müssen zehn Stück für die Waffenkammer liefern“, sagt Bruder Hans. Er holt eine Waffe, zieht sie aus der Scheide: Die Klinge poliert, silbrig glänzend, der Griff aus goldenem Metall, das Parier kunstvoll geschwungen, auf dem Griff das päpstliche Wappen eingraviert.
Aus Stahl entstehen die Schwerter für den Vatikan, dazu gibt es ein päpstliches Wappen.
©Harald Dostal„Im Frühjahr und im Herbst machen wir eine Sammelbestellung.“ Der Transport Richtung Süden ist dann Chefsache.
So kamen die Schmidbergers zum Vatikan
Wie kommt eine kleine Schmiede aus dem 3.600-Einwohner-Ort Molln dazu, die Schweizergarde auszurüsten? Auf Empfehlung. Als Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 Mariazell besuchte, wollte die steirische Landesregierung ihm ein Geschenk machen. Die Restaurateure des Landeszeughauses Graz, eine der größten Rüstkammern Europas, sollten die 500 Jahre alten Originalrüstungen wieder in Schuss bringen. Doch sie sprachen sich dafür aus, lieber neue Harnische zu fertigen – die alten gehörten ins Museum.
„Außerdem sind die Menschen heute größer und schwerer als früher, die Rüstungen haben nicht mehr so gut gepasst“, sagt Johann Schmidberger. „Die Grazer kennen uns und unsere Qualität.“
Traditionelle Herstellung und Restaurierung alter Rüstungen und Waffen; das ist die Spezialität der Mollner Schmiede. Über dem Eingang hängt, als bräuchte es noch einen Beweis, eine Helmglocke mit hohem Kamm.
So viel kostet ein Harnisch
Und Qualität hat ihren Preis. So eine Rüstung, die von der blau-gelb-rot gekleideten Schweizergarde zu besonderen Anlässen getragen wird, beginnt bei rund 7.000 Euro. „Nach oben gibt es keine Grenzen. Ein Offiziersharnisch kann so viel kosten wie ein kleines Auto.“ Der bietet dann mehr Schutz, Vergoldung und benötigt 350 Arbeitsstunden. Rund 100 sind es für die normalen Gardisten.
Die Schweizergarde mit ihren Rüstungen.
©Katarzyna ArtymiakDie Vorgaben aus dem Vatikan sind klar: Die Machart muss authentisch sein. Beilagscheiben für die Nieten im Inneren – die werden zugeschnitten, nicht ausgestanzt. „Hier ist alles geschlagen“, sagt Hans und zeigt auf das Metall, das unter dem Hammer geformt wurde.
Auch die Lederriemen, die das alles zusammenhalten und für Beweglichkeit sorgen, müssen aus speziellem Leder sein. „Das Leder stammt vom Hirsch, den unser Onkel im Sommer erlegt hat.“ Hirsch muss sein. Früher war es auch der Hund. „Das Leder ist extrem flexibel. Bei Rind oder Schwein ist es zu steif.“
Für den einen weißen Helm für besondere Anlässe investiert man noch einmal rund 100 Arbeitsstunden. Dort arbeiten die Schmidbergers das Wappen von Papst Julius II. heraus, der das Korps 1506 gründete. Der sollte für angemessenen Tragekomfort mit etwas über einem Kilo doch eher leicht sein – ein Tiefziehblech aus dem Karosseriebau reicht.
Große Gefühle, aber mit leichter Rüstung
Und natürlich sollen auch Opernsänger auf der Bühne eher unter großen Gefühlen leiden – und nicht unter der Last einer tonnenschweren Rüstung oder Waffen. Für den Ring des Nibelungen in Genf wurden alle Waffen innen hohl gefertigt, damit sie nicht zu schwer sind. Für die Salzburger Festspiele kamen sogar schon Brustpanzer aus Aluminium zum Einsatz. „Sonst wird’s mühsam, wenn die stundenlang singen sollen.“
Hans Schmidberger mit einem weißen Helm der Schweizergarde. Im Hintergrund ein Porträt von Plácido Domingo als „Othello“.
©Harald DostalEnde der Achtziger wurden die großen Bühnen erstmals auf die Schmiedekunst von Hans’ und Georgs Vater aufmerksam. Seitdem hat die Werkstätte aus Molln so ziemlich jeden ausgestattet, der auf den bedeutenden Brettern Rang und Namen hatte: Bruno Ganz als Odysseus in Botho Strauß’ „Ithaka“ an den Münchner Kammerspielen mit Brustpanzer. Klaus Maria Brandauer in Peter Steins „Wallenstein“-Inszenierung in Berlin mit dem Harnisch. Plácido Domingo als „Othello“ bei den Salzburger Festspielen mit Eisengewand.
Im Schauraum der Schmiede hängt heute noch ein Bild von Domingo, gleich hinter einer Reihe von Hellebarden. Ja, die „Schmidten bei der Lacken“ ist ein geschichtsträchtiger Ort. „Unsere Familie ist seit gut 200 Jahren in der sechsten Generation hier“, sagt Johann. Und davor wurde hier auch schon jahrhundertelang geschmiedet.
Das erste Feuer brannte schon 1350
Er führt in ein dunkles Gebäude mit Wabenfenstern, Blasebalg und schwarzen Wänden – so wie man sich einen Ort im Märchen vorstellt: „Das ist die alte Schmiede, die wurde schon 1350 schriftlich erwähnt und später von unseren Vorfahren ersteigert.“
In der alten Schmiede wurde bereits im Jahr 1350 das Feuer entfacht.
©Harald DostalIn Molln werden Geschichten geschmiedet, die sogar noch länger halten als der Stahl.
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