Unvergessliche Begegnung: Gorillas im Regenwald
Das erste Mal vergisst man nie. Ich bin zum ersten Mal in Uganda und ich werde demnächst einem 200 Kilo schweren Berggorilla-Silberrücken die Hand schütteln. Also fast jedenfalls. Hoffentlich mögen die Gorillas Ausländer. Uganda zählt rund vierzig Millionen Einwohner, liegt direkt am Äquator, ist ungefähr so groß wie Großbritannien, und lässt mich alt ausschauen: Mehr als die Hälfte aller Bewohner zählt nicht mehr als 14 Jahre, Frauen haben hier im Schnitt 6,4 Kinder.
Nicht pünktlich, aber freundlich
Am Flughafen von Entebbe, wo vor fast einem halben Jahrhundert ein israelisches Kommando in einem waghalsigen Bravourstück Geiseln aus der Hand von Terroristen befreiten, holt mich Hussein, mein Fahrer für die nächsten zwei Wochen ab. Nicht pünktlich, aber sehr freundlich.
Entebbe ist so etwas wie das Beverly Hills von Kampala. Es liegt rund eine Stunde von der Hauptstadt entfernt – schön ruhig am Lake Victoria, Afrikas größtem See.
Von hier aus regierten bis 1962 die Briten ihre schönste afrikanische Kolonie. Lange vor mir war Winston Churchill nach Entebbe gereist. Er kam 1907 nach einer wochenlangen Schiffsreise in Mombasa an, dem größten Hafen Ostafrikas. Der frisch ernannte und noch schlanke Staatssekretär für Kolonialangelegenheiten war damals 33 und nützte ein Wunderwerk britischer Ingenieurskunst. Wenige Jahre zuvor war die Uganda-Bahn gebaut worden, die von Mombasa im heutigen Kenia nach Nairobi und weiter nach Uganda zum Lake Victoria führte. Das immens teure Projekt wurde von 30.000 indischen Arbeitern gebaut, von denen ein Drittel dabei ums Leben kam. Hauptgrund dafür waren Krankheiten, aber auch Eingeborenenaufstände und angriffslustige Löwen.
Die einzige Autobahn
Churchill wurde seinerzeit vom Gouverneur empfangen, ich wohne relativ bescheiden, aber immerhin neben dem Präsidentenpalast in Entebbe. Hier lebt und regiert Ugandas Präsident Yosewi Museveni – wie in Afrika üblich seit mehr als drei Jahrzehnten und mit 75 Ministern. Es ist wohl kein Zufall, dass Ugandas einzige Autobahn vom Präsidentenpalast in die Hauptstadt Kampala führt. Das edle, 51 Kilometer lange Straßenstück hat, wie man mir erzählt, stolze 450 Millionen Dollar gekostet.
180 Kilometer von Kampala entfernt liegt ein kleines Wunder: die Ziwa Rhino and Wildlife Ranch. Hier in Nakasongola werden Nashörner gezüchtet, es ist das sichere Zuhause wild lebender Breitmaulnashörner. In Uganda gab es einst eine große Zahl an weißen und auch an schwarzen Nashörnern. Als Churchill durch das Land reiste, sah er noch ganze Herden an den Ufern des Nil.
Zeit der Wilderer
Nach der Unabhängigkeit von den Briten 1962 wurde Uganda über drei Jahrzehnte von zwei mörderischen Diktaturen geplagt. Am schlimmsten war die Herrschaft Idi Amins, der das Land total herunterwirtschaftete und 300.000 Menschen ermorden ließ. In der chaotischen Zeit des „Menschenfleischfressers“ Amin hatten Wilderer leichtes Spiel. 1982 wurde Ugandas letztes frei lebendes Nashorn getötet.
Ich pirsche mich mit einer kleinen Gruppe an einige Tiere zu Fuß heran, die gerade eifrig Gras fressen. Die gefährlichen Kolosse sind zwar an Menschen gewöhnt, aber ein mulmiges Gefühl ist es doch, einem Nashorn von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen – ganz ohne Zaun.
Afrika wie im Kino
Nach einer Nacht im ältesten Hotel Ugandas, dem Masindi Hotel (Hemingway hatte Zimmer Nr. 8), brechen wir zu einem absoluten Highlight jeder Uganda-Reise auf: Dem Murchison National Park. Nirgendwo in Uganda haben Tiere mehr Platz und Schutz als hier. Wenn man morgens um sechs mit dem Jeep auf Safari fährt oder mit einem Heißluftballon über der Savanne schwebt, erlebt man Löwen, Afrikanische Büffel, Grasantilopen, seltene Rothschild-Giraffen, von denen es weltweit nur noch 1.700 Exemplare gibt, und natürlich jede Menge Elefanten. Es ist Afrika wie im Kino. Und mitten drinnen am nördlichen Ufer des Nils die legendäre Paara Lodge, von deren Terrasse aus man den Viktoria Nil bestaunen kann.
Paara bedeutet in der Sprache der Luo „der Platz, wo sich die Nilpferde treffen“, und als ich mit einem kleinen Schiff einige Stunden den Nil hinauffahre, wimmelt es tatsächlich nur so von ihnen.
Schon von Weitem hört man das Tosen der Murchison Falls und wenn man aussteigt, um sich ihnen auf einem schmalen Pfad zu nähern, spürt man die Erde förmlich zittern. Hier am nördlichsten Zipfel des Großen Afrikanischen Grabens zwängt sich der Victoria-Nil durch eine nur sieben Meter breite Schlucht und stürzt 42 Meter in die Tiefe. Viele Fische überleben das nicht und unten warten schon Krokodile mit Serviette, Messer und Gabel.
Mein unsichtbarer Mitreisender, der junge Winston Churchill, war 1907 von Uganda total begeistert: „In puncto Schönheit, Vielfalt der Formen und Farbe, der Fülle des Lebens ist Uganda unzweifelhaft die Perle Afrikas.“ Die ugandische Fremdenverkehrswerbung ist ihm noch heute dankbar.
Die heute größte Attraktion des Landes hat Churchill freilich nie gesehen: die raren Berggorillas im Bwindi Regenwald. Diese sportliche Übung bleibt mir überlassen. Rund eintausend Berggorillas gibt es derzeit noch, der Bestand hat sich dank des Tourismus sogar leicht erholt. Die Einheimischen halten die weißen Besucher, die von so weit kommen und soviel Geld investieren, nur um Affen zu sehen, zwar für total verrückt. Aber man freut sich über die Jobs, die der Tourismus bringt. Die Weißen werden in ganz Ostafrika Mzungu genannt. Das bedeutet ungefähr: die sinnlos Umherziehenden.
Die Gorillas leben alle in einem Dreiländereck, dessen Berg-Regenwälder man sowohl vom Kongo als auch von Ruanda und Uganda aus erwandern kann. Es ist tatsächlich eine „Once-in-a-lifetime-Experience“, einem Gorilla im Regenwald von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Eine Gruppe umfasst sechs Touristen, die von bewaffneten Rangern und Trackern begleitet werden. Da die Gorillas, die übrigens kaum auf Bäume klettern, immer in Bewegung sind, kann es sein, dass einem schon nach einer Stunde Wanderung ein Gorilla entgegenruft: „Grüß’ Sie, ich wart’ schon auf Sie!“ (Ist aber eher unwahrscheinlich).
Waten durch sechs Flüsse
Möglich auch, dass man sich fünf Stunden lang auf gatschigen Pfaden steile Hänge hinaufplagt und – wie in meinem Fall – sechs kleine Flüsse durchquert – ohne Brücke und Seil natürlich. Unsere Tracker sind schon frühmorgens losgezogen, um eine Berggorilla-Gruppe zu finden und unseren Guides per Funkgerät ihre Position zu melden.
Die Tracker schlagen auch Wege durch den oft buchstäblichen Regenwald, in dem morgens noch Nebelschwaden wabern. Es ist ein mystisches Abenteuer, und die Aussicht bald einem Tier gegenüberzustehen, das einen mühelos töten könnte, lässt das Herz klopfen. Berggorillas leben meist in Gruppen von zehn Tieren zusammen, ein dominanter Silberrücken, mehrere Weibchen und der Nachwuchs.
Frühstück mit dem Gorilla
Unsere Führer und die bewaffneten Aufpasser werden jetzt ganz aufgeregt. Nach mehreren Stunden anstrengender Wanderung durch den Bwindi-Regenwald ist es soweit. Nur unsere Chefführerin und wir sechs Besucher dürfen jetzt ganz nahe zu den frühstückenden Gorillas. Zwei Meter vor mir: mein erster Berggorilla.
Das Herz schlägt wie eine Buschtrommel. Auch der mächtige Silberrücken, der Oberboss, kommt mir jetzt ganz nahe, keine drei Meter entfernt mustert er mich kritisch. Es ist eine Begegnung, die man nicht vergisst.
36 habituierte, also an Menschen gewöhnte Gorilla-Gruppen gibt es im ugandischen Teil des Bwindi-Regenwalds. Wilde Gorillas würden übrigens sofort angreifen. In diesem Fall würde diese Geschichte nicht erscheinen. Mein Lieblingsgorilla, ein ausgewachsenes Weibchen, ist ganz friedlich und lässt sich grünes Blätterzeugs munden. Ich habe sofort den Verdacht, dass wir für die Berggorillas so etwas wie das tägliche Frühstücksfernsehen sind.
Das Grauen vor dem Rückweg
Hoffentlich sind wir ein interessantes Programm. Auch der Silberrücken, geschätzte 200 Kilo schwer und 1,75 Meter groß, denkt offensichtlich mehr ans Fressen als an mich. Nur manchmal schaut er mich mit seinen braunen Augen interessiert und nachdenklich an. Ob er ahnt, dass mir schon vor dem Rückweg graut?
Nach einer Stunde geht es auf steilen Pfaden durch den Regenwald wieder bergab. Ich muss an Hemingway denken, der Afrika liebte, aber eine panische Angst vor Schlangen hatte. Nein, ich will nicht wissen, was hier entlang der Wege herumkriecht. Mein Gorilla und ich, wir haben uns endlich getroffen. Und nur das ist es, was am Ende zählt.
Tipps und Infos
Beste Reisezeit: Juni
bis September. Angenehme Temperaturen (27 Grad), wenig Regen.
Pauschalreisetipp: Ruefa offeriert Uganda inklusive Gorilla- und Schimpansen-Trekking in zwei Varianten: Als Private Tour neun Nächte mit englischsprachigen Driver Guide ab 3.550 € oder als 15-tägige Rundreise inklusive Flug ab 5.340 €
https://www.ruefa.at/
Afrika deluxe: Es bietet sich an, Uganda mit dem benachbarten Ruanda, dem zweitsichersten Land Afrikas, zu kombinieren. Tipp für etwas Luxus nach einer anstrengenden Reise: das neue Nyungwe House von One&Only im größten Bergregenwald Afrikas. Die Sechssterne-Lodge inmitten einer riesigen Teeplantage ist ein unvergessliches Erlebnis. Von hier aus kann man auf atemberaubenden Hängebrücken den Regenwald erleben, Schimpansen aus nächster Nähe sehen oder auch die Gorillas von ruandischer Seite aus besuchen. Ab Herbst 2019 wird man auch ganz nahe bei den Gorillas superluxuriös nächtigen können, im neuen „One&Only Gorillas Nest“, das gerade bei den Virunga Vulkanen entsteht.
Richtpreis: ab 800 Euro pro DZ.
https://www.oneandonlyresorts.com/
Flugtipp: Qatar Airways fliegt täglich von Wien nach Entebbe (22.55 UhrAbflug, 14 Uhr Ankunft). Die Airline verfügt über eine der jüngsten Flotten und die breitesten Economy-Sitze und fliegt seit Kurzem auch Mombasa in Kenia an. Wer es sich leisten kann, fliegt Business Class, sie wurde 2018 zur besten der Welt gewählt. Richtpreise Wien-Entebbe-retour: Economy ab rd. 400 Euro, Business ab rd. 2000 Euro.
https://www.qatarairways.com/de-at/homepage.html
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