Unlängst stand ich wieder im kleinen Aufzug (in unserem Büroturm gibt es einen großen und einen kleinen Aufzug, welcher kommt, entscheidet eine unsichtbare göttliche Macht namens „der Computer“, ich krieg natürlich immer den kleinen, der mir Angst macht, weil er beim Fahren ächzt und quietscht). Der Aufzug sagte „Ächz“ sowie „Quietsch“ und wieder einmal sah ich mein Leben an meinem inneren Auge vorbeiziehen und dachte mir: Interessant, die Episode mit dem Klassensprecher, die hatte ich fast vergessen.

Mit elf Jahren war ich ein dickliches Kind mit Krankenkassabrillen. Meine Mutter schnitt mir die Haare mit der Nagelschere (dass es sogenannte „Friseure“ gibt, erfuhr ich erst viel später) und schenkte mir für den Eislaufunterricht ihre alten, weißen Eislaufschuhe. Ich finde, dafür bin ich recht normal. Jedenfalls kam ich damals in eine neue Schule, wo ich niemanden kannte – mich aber jeder, zumindest meinen Namen, denn meine Eltern waren Lehrer dort und bei den Mitschülern sehr beliebt. In einem Anfall von Umnachtung meldete ich mich als Kandidat bei der Klassensprecherwahl an und gewann überlegen (bis heute weiß ich nicht, ob das ein Gag meiner Mitschüler oder auf meinen Namen zurückzuführen war).

Nach der Wahl fragte ich vorsichtig, was ein Klassensprecher eigentlich zu tun habe. Man sagte mir, er vertrete die Interessen der Klasse. Da die Klasse aber niemals zu mir kam und sagte „Heute wäre eine schöne Gelegenheit, meine Interessen zu vertreten“, verging das Jahr, ohne dass ich eine einzige Handlung in meiner Funktion als Klassensprecher gesetzt hätte. Am letzten Tag des Schuljahres sagte man mir, ich sei ein äußerst schlechter Klassensprecher gewesen, und das waren meine gesamten Erfahrungen in der Welt der Politik.

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