Der Lockruf des Wimmerls

Über Skifahren und andere Suchtkrankheiten

Dass ich so ein begeisterter Skifahrer geworden bin, ist einerseits ein Wunder. Denn Skifahren, das hieß für meinen Vater: Zehn Minuten vor Betriebsbeginn vor dem Lift stehen und fahren bis zum Betriebsschluss. Hütten werden ausschließlich zum Zwecke der Blasenentleerung aufgesucht, aber auch da sind Bergstationstoiletten oder die freie Natur vorzuziehen. Gegessen wird auf dem Sessellift, und zwar eine zerknautschte, vom Schnee durchweichte Buttersemmel, die meine Mutter im sogenannten "Wimmerl" (alleine dieses Wort!) mit sich führte. Im übrigen fuhr mein Vater am liebsten bei Graupelschauer, Sturm und schlechter Sicht. Mein Vater glaubte offenbar, dass man sich Vergnügen (= Skifahren) nur erlauben darf, wenn man gleichzeitig durch möglichst schlechte Rahmenbedingungen (= Graupelschauer) dafür büßt. Katholische Erziehung.

Andererseits zeigten mir meine Eltern schon im Kindergartenalter, wie unglaublich schön es sein kann, sich in freier Natur zu bewegen. Meine Eltern waren Skilehrer und leidenschaftliche Geländefahrer. Und so lernten meine Schwester und ich schon als Kinder, uns abseits der Pisten zu bewegen, Gefahren einzuschätzen, Schneelagen zu beurteilen, uns richtig zu verhalten. Bis heute kenne ich kaum ein schöneres Gefühl, als über einen Tiefschneehang zu schweben. Eigentlich gar keines.

Wenn ich mich heute beim Skifahren beobachte, sehe ich meinen Vater. Alle 50 Meter bleibe ich am Pistenrand stehen und schaue: Gibt es da eine interessante Variante im Unverspurten? Und dann sehe ich wieder, dass ich doch ganz anders bin: Ich bin selten vor elf auf der Piste, und ich bin mindestens ein ebenso leidenschaftlicher Vor-der-Hütte-Bier-Trinker wie ich ein leidenschaftlicher Skifahrer bin. Und Skirennen im Fernsehen finde ich tödlich langweilig.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 13. und 14. März, Theater am Alsergrund.

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