Schneehunde und Schlosskönige

Über den sittlichen Wert des Vorhangsaufziehens um sechs Uhr früh.

Letztens sagte in der Puls4-Castingshow "Herz von Österreich" ein dem Ausgeschiedenwerden entgangener Kandidat: "Ich freu mich wie ein Schlosshund." Andernfalls hätte er vermutlich wie ein Schneekönig geheult (vielen Dank an Thomas N. für diese Beobachtung).

Warum heult ein Schlosshund? Im Internet kursieren zwei Begründungen: Die einen meinen, die Redewendung beziehe sich auf Hunde, die mit einem Schloss an einer Kette hängen, die anderen sagen, hier gehe es um das unheimliche Heulen, das man manchmal aus alten Schlössern zu hören glaubt. Der Schneekönig ist übrigens kein Monarch, sondern ein Vogel, auch bekannt als Zaunkönig, dem man gute Laune unterstellt, weil er auch im Winter fröhlich singt.

In einer ähnlichen Sendung, der Show "Die große Chance" im ORF, sagte der siegreiche Kandidat, er wolle sich von seinem Geldgewinn als allererstes Vorhänge für seine Wohnung kaufen, er habe nämlich noch keine. Und das kann sich in Österreich verheerend auf den Ruf auswirken. Keine Vorhänge zu haben, das gilt vielerorts als ungehörig. Und zwar nicht deshalb, weil man nicht vorhandene Vorhänge nicht zuziehen kann. Sondern weil sie sich nicht öffnen lassen. Vorhänge hat man deshalb, wurde mir schon öfter von Menschen erklärt, die Erfahrung mit dem Landleben haben, damit man sie um sechs Uhr früh aufzieht. Um zu zeigen: Seht her, wir sind wach, wir sind fleißig, wir sind keine, die um diese Zeit noch im Bett liegen und schlafen oder noch unsittlichere Dinge tun. Wir haben nichts zu verbergen.

Wer seine Vorhänge nicht öffnen kann, weil er gar keine besitzt, entzieht sich frech dieser Übereinkunft und macht sich verdächtig. Und wenn sich jemand verdächtig macht, freuen sich die Leute wie die Schlosshunde und heulen wie die Schneekönige.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 13. und 14. März, Theater am Alsergrund.

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