Nullmannpartei

Über das Glück des Alleinseins und das Glück der Gemeinsamkeit.

Meine geschätzte Kollegin Doris Knecht bezichtigte sich in einer Kolumne selbst der „Soziointoleranz“, weil sie angesichts von zwölf Personen an einem Tisch „Fluchtimpulse“ befielen. Das finde ich süß. Weil: Sorry Doris, aber das ist Sozialphobie für Anfänger. Bei mir beginnen die Fluchtimpulse bei Menschenmassen jenseits der zwei. Manchmal bin sogar ich mir bei Tisch zu viel. Der brillante und mit einem großen Talent zur Verhaltensoriginalität ausgestattete Schriftsteller Thomas Glavinic erzählte darüber, wie ihm die Idee zu seinem Roman „Die Arbeit der Nacht“ kam. Er litt unter Schlaflosigkeit und schaute mitten in der Nacht von seinem Fenster auf eine menschenleere Straße, wo eine Ampel sinnlos, weil für niemanden das Licht wechselte. Da befiel ihn das beklemmende Gefühl, ganz alleine auf der Welt zu sein. Was Glavinic da beschreibt, kenne ich gut – nur finde ich das Gefühl nicht beklemmend, sondern beruhigend. Ich halte es mit Gerd Bacher, der einmal sagte, er sei eine „Einmannpartei mit Aufnahmesperre“ – nur, dass ich manchmal sogar zur Nullmannpartei tendiere. Ich bin gerne alleine (einsam fühle ich mich eher unter Menschen), dann kann ich die Geschichten schreiben, die ich selber gerne lesen möchte. Und falls diese Geschichten Ihnen gefallen, dann empfinde ich das als großes Glück – und bin wieder froh, dass wir alle einander haben.

Ich möchte mich noch ausdrücklich für die vielen Mails bedanken, die mein Text über den Sinn des Lebens auslöste, für die Sinn-Angebote und die Missionierungsversuche. Nun habe ja gar nicht ich nach dem Sinn des Lebens gefragt (ich brauche keinen, mir reicht das Leben, so herrlich sinnlos, wie es ist), sondern meine Tochter. Ich werde ihr die Sinn-Ideen aber gerne weiterleiten (die Missionierungsversuche nicht).

Die vorletzte Vorstellung von Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Urlaubsfotos (keine Diashow)":

19. November, 19.30 Uhr, Theater am Alsergrund

www.alsergrund.com

Kommentare