Herz langsamer, Herz schneller

Sind wir nicht alle, auf die eine oder andere Weise, seitenverkehrt?

Als ich ein Kind war, entdeckte der Schularzt, dass mein Pulsschlag beim Einatmen schneller und beim Ausatmen langsamer wird. Daraufhin schickten sie mich wochenlang von Arzt zu Arzt, jeder Arzt sagte, aha, interessant, sein Pulsschlag wird beim Einatmen schneller und beim Ausatmen langsamer, aber keiner wusste, warum das so ist und ob das ein Problem darstellt. Bis heute wechselt mein Herz bei jedem Atemzug das Tempo, ich habe keine Ahnung, warum, es ist mir ehrlich gesagt auch wurscht. Wir Menschen sind keine normierten Konstruktionen, und das ist gut so. Ich kenne eine Frau, bei der ist das Herz rechts, die Leber links, sie ist komplett seitenverkehrt, und es stört sie auch nicht weiter. Sind wir nicht alle, um ein Zitat des großen, weisen Musikers Morrissey abzuwandeln, auf die eine oder andere Weise seitenverkehrt?

Jedenfalls erinnere ich mich daran, dass ich eines Morgens mit meiner Mutter zu einer Untersuchung ins Krankenhaus fuhr, und zwar über die damals noch kopfsteingepflasterte Triester Straße, und dass ich mir damals dachte: Aha, Wien besteht also aus Autos und kaputten Straßen. Und ich weiß noch, dass ich mir die Frage stellte: Kommt irgendwann ein Tag, an dem es keine Baustelle gibt, keine einzige, weil nämlich jede Straße repariert ist – sodass die ganze Bauerei stillsteht, wenigstens für einen Tag? Bis heute frage ich mich das. Oder auch dieses: Wie wäre es, wenn einen Tag lang nichts Interessantes passiert und daher niemand etwas sagt? Einen Tag lang Stille. In Kalifornien fand ich einmal einen Radiosender, der – keine Ahnung, ob absichtlich oder wegen eines technischen Fehlers – wochenlang nur Stille sendete. Ich mag Stille: Wenn man seinem Herz zuhören kann, wie es schneller und wieder langsamer wird.

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