Zeit? Wieviel wiegt Zeit?

Frau Elfi, die Bananen und die vergessene Waage.

Im „Home Office“ zu arbeiten, verändert die Perspektiven. Man sieht, wenn man untertags nicht im Büro sitzt, sondern zum Beispiel mit dem Hund eine Runde durch den Wohnblock dreht, Menschen, die man sonst nicht sieht. Die Dauerarbeitslosen, die Frühpensionisten, die Alten, die Bildungsfernen. Die Trankler, die im Kaffeehausgarten das klassische Frühstücks-Menü einnehmen: Marlboro 100, großer Brauner, Viertel Rot.

Später Vormittag im Billa, tote Zeit, niemand ruft „Zweite Kassa“, durch die Regalgassen schlurfen Greisinnen, welche mit der endlosen Geduld jener Menschen, die ihre Zeit schon fast hinter sich haben, die Waren betrachten. Vermutlich, weil das auch nicht fader ist als „Sturm der Liebe“. Daneben eine Schwerstalkoholikerin, sie kauft Gummibärchen und 20 Dosen Wodka-Mischgetränk. Vermutlich schafft sie es damit bis zum Nachmittag.

An der Kassa steht eine sehr alte Dame, körperlich hinfällig und verwirrt. Auf ihrem Rollator hat sie Waren gestapelt. Die Kassierin springt auf, nimmt jedes Stück einzeln vom Rollator, scannt es ein, packt es ihr in die Tasche. „Und die Bananen haben Sie nicht abgewogen, Frau Elfi?“ – „Nein ... ich wollt eh ... aber da war keine Waage ...“ – „Na geh, aber Sie wissen doch, wo die Waage ist!“ – „Aber ich hab nicht gewusst, wie das geht...“ – „Aber Frau Elfi, wie immer, Bananen immer die eins.“ Dann läuft sie los, wiegt die Bananen ab, danach erklärt sie Frau Elfi die Rechnung, nimmt ganz langsam jeden Schein und jede Münze einzeln aus Frau Elfis Geldbörse und redet beruhigend auf sie ein, da Frau Elfi ängstlich wirkt.

Der Vorgang dauert sicher zehn Minuten, längst hat sich jetzt doch eine Schlange gebildet, aber niemand murrt. Zeit? Wie viel wiegt Zeit? Wie viel davon werden wir sinnlos vergeuden, bis wir so alt sind wie Frau Elfi und hilflos an der Kassa stehen?

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