Das immerste Gebot

Je öfterst wir ein Wort verwenden, desto richtigster wird es, oder?

Und plötzlich musste ich wieder an das immerste Gebot denken. Es war in der Volksschule. Bei der durchaus gefürchteten „Ansage“ diktierte uns die Lehrerin den Text der niederösterreichischen Landeshymne: „Oh Heimat, dich zu lieben/getreu in Glück und Not/im Herzen steht’s geschrieben/als innerstes Gebot.“ Die Ansagen waren deshalb gefürchtet, weil die Lehrerin stark nuschelte. Ich weiß noch, dass ich den Text merkwürdig fand. „Lieben“ war eine Gefühlsaktivität, die ich nur in Bezug auf meine Eltern verstand, nicht aber in Bezug auf die Idee „Niederösterreich“. Dass im Herzen etwas geschrieben stehen könne, erschien mir eher unwahrscheinlich. Und das „innerste“ Gebot erschloss sich mir weder inhaltlich, noch phonetisch (wie gesagt, die Lehrerin nuschelte): Wie kann etwas noch innerer als innen sein, dachte ich, und schrieb „immerstes Gebot“. Ich dachte damals, „immerst“ sei vielleicht eine veraltete Variante von „ewig“.

Als Eva Glawischnig kürzlich sagte, sie habe für etwas „absolut nullstes Verständnis“ (warum nicht gleich „absolutest nullstes“?), fühlte ich mich 37 Jahre später rehabilitiert: Null, nuller, am nullsten – im Prinzip auch nichts anderes als immer, immerer, am immersten. Die Phrase „in keinster Weise“ ist ja auch längst(est) etabliert und fällt nicht mehr unangenehm auf, und zwar nicht nur nicht, sondern noch nichter als nicht. Gerne verwendet wird auch „der Einzigste“ (der, nur der, nicht nur kein anderer, sondern noch keiner kein anderer) oder „bestangezogenst“ (also nicht nur am besten angezogen, sondern noch angezogener, sogar am angezogensten; „nackt“ wäre dann vermutlich ausgezogenst). Facebook-Freundin Susanne P. schlägt als neuen Superstlativ „kaumst“ vor: Kaum, kaumer, am kaumsten. Wird sich kaumst durchsetzen? Vielleichtest.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 12. und 13. Februar, Theater am Alsergrund.

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