Auf dünnem Eis

Mein erstes Mal Schmusen und mein letztes Mal Eislaufen

Wenn es mir zu gut geht, wenn ich Gefahr laufe, die Menschen zu mögen, das Leben positiv zu sehen, Optimismus zu empfinden, vielleicht sogar zu lächeln wie ein Blumenkind nach einer Überdosis Gänseblümchentee – dann muss ich nur an einem Eislaufplatz vorbeigehen. Und schon senkt sich mir zarte Gräue aufs Gemüt (jene Art Gräue, die so verlässlich jedes "Tatort"-Drehbuch färbt) und ich verspüre wieder den vertrauten Grant, an den ich mich so gewöhnt habe, dass ich glaube, er sei das, was mich als mich erkennbar macht. Eislaufen steht in meinem Leben für Demütigung. Egal, wie sehr sich meine Sportlehrereltern auch bemühten, die größte Fertigkeit, die ich im Eislaufen erreichte, bestand darin, mir beim ständigen Hinfallen wenigstens nicht allzu viel zu brechen. Ich konnte wackelig vorwärtsrutschen, niemals habe ich es geschafft, auch nur einen Zentimeter rückwärtszufahren, ganz zu schweigen von Kunststücken wie "Übersteigen". Als ich 14 war, musste man Eislaufplätze frequentieren, um Mädchen näherzukommen. Meine eisläuferische Inkompetenz tarnte ich, indem ich mich an die Bande stellte und Schmäh führte, ohne mich von der Stelle zu bewegen. Allerdings half mir das nicht sehr, denn statt der damals für Burschen obligatorischen "Eishockeyschuach" trug ich die weißen Eislaufschuhe meiner Mutter. Dass dann die P., das hübscheste Mädchen meiner Klasse, die heute brillante politische Analysen im "Standard" schreibt, trotzdem mit mir schmuste, verblüfft mich bis heute. Am Neujahrstag 1995 überredete mich meine damalige Frau zu einem Eislaufausflug auf den Neusiedler See. Die Schuhe passten mir nicht, ich bekam Blasen, fiel öfters hin und musste mitten auf dem See aufs Klo. Das war das letzte Mal, dass ich mich auf Eis begab. Jedenfalls mit Kufen unter den Füßen.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 25. und 26. April im Theater am Alsergrund.

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