Als ich neulich mit meinem Freund, dem Wirt, darüber sprach, warum eigentlich die Mehrzahl der Menschen, mit denen man es an einem durchschnittlichen Tag an einem durchschnittlichen Ort zu tun bekommt, nicht an Gesprächen interessiert ist, entwickelten wir gemeinsam eine Theorie. Wie in der klassischen Schule der Theoriebildung vorgeschrieben, versuchten wir zunächst den Begriff zu bestimmen, um den es geht. Also: Ein Gespräch ist ein Gespräch, wenn die Teilnehmer erstens daran interessiert sind, etwas über die Gesprächspartner oder über die Welt, in der sie leben, zu erfahren und zweitens bereit sind, etwas von sich und der Welt, in der sie leben, mit den Gesprächspartnern zu teilen. Drittens lebt ein Gespräch von Nichtöffentlichkeit, wie jeder bestätigen wird, der anhand des einigermaßen regelmäßigen Konsums von so genannten öffentlichen Gesprächen („Im Zentrum“, „Pressestunde“ etc.) mit dem Gegenteil vertraut ist.

Und hier nun die Theorie: Gespräche finden nicht mehr statt, weil es die Nichtöffentlichkeit nicht mehr gibt. Wer immer wo immer mit wem immer in jenem basalen Sinn ins Gespräch kommt, dass Wechselrede stattfindet, tut das unter dem Dauervorbehalt von Öffentlichkeit. Der Umstand, dass die Gesprächpartnerin/der Gesprächspartner gleichzeitig mit der stattfindenden Wechselrede sein/ihr Smartphone betätigt, signalisiert, dass das eben Gesagte potenziell bereits Teil der großen Buchstabenmüllhalde ist, die wir „social media“ nennen. In unserem Gesprächsleben kommen somit als Gesprächsinhalte nur noch Dinge in Frage, die bereits öffentlich sind, und so hören sich die Gespräche dann in der Regel auch an. Man könnte auch sagen, dass unser Gesprächsleben zu einer einzigen großen „Pressestunde“ geworden ist: Abschalten scheint der einzige Ausweg zu sein.

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