Falls es den Herrn Klimawandel wirklich gibt, und er, was mir wahrscheinlicher erscheint, nicht nur eine – handwerklich hervorragende – Erfindung wissenschaftlicher Romanschriftsteller ist, würde ich ihn gerne treffen, so wie ich Jahre lang davon geträumt habe, im Zug dem Fürsten Myschkin zu begegnen. Ich würde Herrn Klimawandel bei dieser Gelegenheit gerne Folgendes sagen: Im Prinzip, Herr Klimawandel, habe ich gar nichts gegen Sie. Ich würde mir von Ihnen nur etwas mehr Flexibilität erwarten. Jeder hat heute flexibel zu sein, und ich fürchte, wir können da für Sie keine Ausnahme machen. Also: Sommers können Sie gern so weitermachen wie bisher, aber der Winter geht so nicht. Ich kann mich kaum noch erinnern, wann es zu Weihnachten so war, wie es zu Weihnachten sein soll. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich brauche den Schnee und die Kälte nicht für die Konservierung meiner religiösen Gefühle. Fromm war ich auch, als am 25. Dezember am Pool eines Hotels in Nairobi Santa Claus Zigaretten vom Pferd unters Volk warf. Ich

war am Vorabend aus Mogadischu gekommen und nach zehn Tagen Bürgerkriegslärm und vernachlässigter Toilette zu Kaufhausweihnachtsmusik in der Badewanne eingeschlafen. Das geht auch, kein Problem, Weihnachten ist immer und überall. Aber es ist nicht gut, dass in der letzten Dezemberwoche, wenn ich von der Stadt aufs Land fahre, es dort nicht so aussieht, wie es in meiner Kindheit immer ausgesehen hat, sondern so, wie man sich als kleines Kind den Ruhrpott vorgestellt hat. Wenn Sie das ganze Theater nur veranstalten, um den Weihnachtskitsch zu konterkarieren, kommen wir ins Geschäft: Wir verlegen den Heiligen Abend auf Mitte August, und Sie lassen uns Ende Dezember in Ruhe. Als Zeichen Ihres Einverständnisses erwarte ich am 24. Dezember ausgiebigen Schneefall.

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