Vor Kurzem war ich mit einem jungen Mann verabredet. Anfang 20, groß, schlank, Kleiderstil postmoderner Existenzialismus, naturgemäß: Philosophiestudent kurz vor dem Bachelor-Abschluss, wach, welthungrig. Als ich ihn zuletzt getroffen hatte, war er ungefähr drei Jahre alt, und weil weder er noch ich damals Bart getragen hatten, machten wir beide große Augen. Er beschäftigt sich gerade mit der Frage, warum der Gottesbeweis in der Philosophie eine so große Rolle spielt, und wollte darüber mit einem philosophisch interessierten Studienabbrecher der Theologie sprechen. So ist das heutzutage: Von den Gescheiten will man etwas über den Mammon wissen, von den Gescheiterten über Gott. Man kann eben nicht mit beidem dienen. Ich fühle mich in diesen Gottesbeweisverfahren auf der sicheren Seite, weil ich davon überzeugt bin, dass Richard Dawkins mehr zu verlieren hat als ich. Wenn es ihm gelingt, die Nichtexistenz Gottes nach allen Regeln der wissenschaftlichen Liturgie, mit Doppelblindversuchen, wiederholbaren Experimenten und Peer-Reviews bis zum Abwinken zu beweisen, rührt mich das überhaupt nicht. Wenn es aber irgendjemandem – ich verfüge nicht über den einschlägigen Ehrgeiz, weil ich an einen Gott, der des wissenschaftlichen Beweises bedürfte, nicht glauben möchte – gelänge, nach eben diesen Regeln die Existenz Gottes zu beweisen, dann hätte Herr Dawkins ein Problem. Das nenne ich dann doch eine List der Geschichte: Seit Gott nicht mehr zur Legitimation teuflischen Verhaltens gebraucht wird, haben die anderen das Problem. Sie brauchen ihn gewissermaßen mehr als wir. Ich glaube, das ist es auch, was die kämpferischen Atheisten, diese letzten Frommen, so traurig macht: Dass nur ein Gott sie retten kann. Ich glaube, das wird er auch tun.

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