Ich bin jetzt für drei Wochen in den Bergen. Vor Kurzem hat mich jemand gefragt, wie es denn käme, dass so viele Dichter und Denker eine Schwäche für die „Poesie der bergigen Landschaft“ hätten. Der Mann, der mich das fragte, erwähnte Goethe, Schiller, Rousseau, Hesse, Hölderlin, Eichendorff, Heine, Stifter und Peter Rosegger. Ich erlaubte mir zu ergänzen, dass sogar die schnöseligen Franzosen die Berge liebten. Zumindest hat einer der schnöseligsten von ihnen, Claude Lanzmann, das in seiner Autobiografie behauptet. Die Schilderung seiner Bergtour mit Simone de Beauvoir oszilliert, wie der ganze Lanzmann, zwischen Selbstironie und Größenwahn.Unter den zeitgenössischen Autoren kommt – nicht nur, aber auch – alpinistisch an Christoph Ransmayr niemand heran. Ob „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“, „Morbus Kitahara“ oder „Der fliegende Berg“: Ransmayrs Schreiben über Berglandschaften ist Fels und Eis gewordene Poesie, und dass er mit dem „Fliegenden Berg“ ein Romangedicht geschaffen hat, ist der vorläufige Schlusspunkt dieser Verdichtung.Aber die Frage war ja nicht „Wie“, sondern „Warum“. Warum lieben Menschen mit Verstand und Gefühl die Berge? Neulich las ich etwas über die „Heiligkeit“ der Berge. Kunst- und ideengeschichtlich gehörte zum Heiligen immer auch das Furchtbare. Die Ehrfurcht vor den Bergen beinhaltet die Furcht vor dem Unheimlichen, Ungeheuerlichen, Dunklen, uns Überwältigenden, Gewaltigen.Das Heilige ist inzwischen aus der Mode, der Berg nicht. Die Bergfurcht der metaphysisch Furchtlosen kommt wohl daher, dass selbst der religiöse Ignorant sein angeborenes Gefühl für das Erhabene nicht so leicht los wird. Also geht er auf den Berg. Da kann er fromm sein, ohne dass er es merkt.

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