Jetzt bin ich seit etwa einem Monat auf Twitter (und bitte nicht wieder twittern, dass ich mit der Erwähnung in der Kolumne nur meine Followerzahl in die Höhe treiben will, ich kann beweisen, dass das gar nichts bringt, weil freizeit-Leser ihre Freizeit sinnvoll verbringen, also praktisch überall in diesem Sonnensystem außer auf Twitter). Interessant übrigens, dass man „auf Twitter sein“ und „auf Facebook sein“ sagt, so wie man „auf Speed“ oder „auf Koks“ ist. Wie viel Nettolebenszeit ich in diesem Monat verplempert habe, kann ich schwer sagen. Meine Frau, die sich seit einem Jahr vergeblich darüber beschwert, dass sie in dieser Kolumne noch nie vorgekommen ist und sich auch weiter vergeblich darüber beschweren wird, sagt, twittern sei praktisch zu meiner Hauptbeschäftigung geworden. Woher will sie das eigentlich wissen, wenn sie nie zu Hause ist? Egal, jedenfalls habe ich trotz des enormen Verplemperungspotenzials, über das Twitter verfügt, von einigen Geschichten Kenntnis bekommen, deren Lektüre ich nicht missen möchte. Im Wesentlichen aber ist die österreichische Provinzvariante von „Twitter“ ziemlich genau das, was ich mir erwartet habe: Ein digitales Moraldöbling, in dem die Ethiktussen im Buchstabencayenne daherbrausen. Journalistinnen, Politauskenner und sonstige Wichtigmacher und Innen, die alles menschenverachtend und rechtsextrem finden, was nicht im Bobostan-Grundgesetz steht. Als ich das kürzlich in einem Twitter-Dialog mit der Gesinnungsprosaautorin Julya Rabinowitsch und dem Ethikblockwart Florian Klenk diskutierte, erklärte eine Journalistin namens Verena Mayer, sie sei gern eine Ethiktusse, wenn sie das vom Zynismus alter Männer abhebe. Ich glaube, dass viele Autoren und Innen noch anspruchsloser sind, als ihre Texte das ohnehin zu erkennen geben.
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