Das Netz und die Wahrheit

Die jungen Wahrheitssucher wenden sich von den etablierten Medien ab und suchen auf eigene Faust. Viel Erfolg!

Vor Kurzem hat mir während einer öffentlichen, aber doch im kleinen Kreis geführten Diskussion über das allseits beliebte Thema "Die Medien: Gestern, Heute, Morgen" ein junger Herr erklärt, warum die "offiziellen" Medien, und zwar nicht nur die aus totem Holz, in seiner Generation keiner mehr braucht. Der junge Mann erweckte den Eindruck, als sei er eine urbanisierte, im korrekten Gebrauch von Messer und Gabel geübte Variante des Kärntner Herrenbauern Kurt Scheuch und erläuterte seine These am aktuellen Beispiel Ukraine: Wer sich in der "Presse", im "KURIER" oder in der "FAZ" über die Vorgänge im europäischen Osten informiere, sei ausschließlich mit von westlichen Kapitalinteressen gesteuerter Information konfrontiert und daher gezwungen, sich die Wahrheit im Internet zu suchen. Eine der Quellen, an denen sich der geopolitische Wahrheitssucher erquicken könne, sei der Onlineservice "Russia Today" (rt.com), meinte der junge Mann. Er wisse wohl, dass diese Quelle unter dem Verdacht stehe, russische Propaganda zu verbreiten, aber erstens sei dieser Propagandavorwurf selbst nichts anders als Propaganda, und zweitens könne er nicht sehen, warum die russische Propaganda schlimmer sein solle als die amerikanische Propaganda, die CNN verbreite. Ich habe das Gespräch an diesem Punkt höflich, aber bestimmt abgebrochen. Die Frage hat mich aber naturgemäß weiter beschäftigt: "Was ist Wahrheit?" Während der Osterfeiertage kam sie mir wieder unter. Der römische Statthalter Pontius Pilatus stellte sie während des Verhörs einem relativ prominenten Angeklagten. Mir wurde in der Sekunde klar, was die einzig mögliche Antwort auf diese Frage ist, aber für Pilatus’ Gesprächspartner war die aus unterschiedlichen Gründen keine Option: "Schwer zu sagen. Ich google das mal."

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