Der Schriftsteller, der Wirt und ich

Das war wieder einmal typisch: Ich mache ein Kompliment und ernte Kritik

Neulich hatten wir es ziemlich lustig. Ich möchte nicht behaupten, dass es ausschließlich damit zu tun hatte, dass mein Freund, der Schriftsteller, der gerade einen auf Tugendbold macht – raucht nicht, trinkt nicht, hat sich statt der Beethovenwolle eine Sektionscheffrisur zugelegt – jede meiner Bestellungen egalisierte. Aber es war möglicherweise nicht gänzlich ohne Einfluss. Jedenfalls erklärte unser Freund, der Wirt, der sich nach getaner Arbeit zu uns gesellt hatte, dass eigentlich ich dafür verantwortlich sei, dass der Wirt, der Schriftsteller und ich jetzt drei Freunde sind. "Weil ich dir", erinnerte ich mich, "den Schriftsteller als einen empfohlen habe, der wie kaum ein anderer die falsche Meinung richtig formulieren kann." Worauf der Schriftsteller erklärte, er würde dasselbe über mich sagen. Das war wieder einmal typisch: Ich mache ein Kompliment und ernte Kritik. Während ich nämlich Menschen, die die falsche Meinung richtig formulieren können, wirklich schätze, weil ich zu viel Nettolebenszeit mit Menschen verbracht habe, die das, was alle für die richtige Meinung halten, miserabel formulieren, wird mir alles, was ich unter großen Mühen einer gefälligen Formulierung zuführe, zum Vorwurf gemacht, weil es sich angeblich um die falsche Meinung handelt. Da frage ich mich natürlich: Warum immer ich? Mein Freund, der Schriftsteller, hat darauf naturgemäß keine Antwort, weil er selber so gut wie ausschließlich damit beschäftigt ist, Antworten auf die Frage zu finden, warum immer er. Sein Beruf ist es nämlich, Antworten zu formulieren auf Fragen, die keiner stellt, während es mein Beruf ist, Fragen zu erfinden für Antworten, die alle geben. Das macht es dem Schriftsteller und mir möglich, Freunde zu sein. Wir kommen uns nicht in die Quere. Noch nicht.

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