Karpfen, Forellen, Störe
Nach einigen Durchgängen schwimmen die Fische wieder kommod im Fischkalter. Die erste Adresse für Fische. Freilich, ihr Dasein hat einen (für uns Menschen) guten Zweck und ist von enden wollender Dauer. Vier Tage vor
Weihnachten kann man hier im Stift seine
Weihnachtskarpfen und Forellen kaufen. „Und was sind das für riesige Fische in dem Bassin?“, fragt der Bub, der heute hier einen Schnuppertag hat. „Die Störe von Pater Leonhard“, bekommt er zur Antwort. Später erfährt man, dass der jagd- und naturbegeisterte Leonhard schon vor einigen Jahren gestorben ist – die Störe dürfen hier in memoriam in Frieden schwimmen.
Die Fischer fahren wieder ab, für die nächste Fuhre Karpfen. Ruhe kehrt ein in den barocken Säulenhof. Für einen langen Moment schaut
Mönch Philipp in das Bassin mit den Schuppenkarpfen. Etwa tausend Tiere schwimmen im Gleichklang wie ein einziges großes Lebewesen. „Der Helle da vorne ist ein Amurkarpfen“, sagt Philipp.
Betrachtet man Frater Philipp in seinem Kittel, die Jagdtrophäen an den Wänden, die alte Balkenwaage, die wasserspeienden Skulpturen im Zentrum der Fischbecken, die winterstarren Bäume, in pastelligen Farben in der gesättigten Aquariumluft, kommt ein Gefühl der Zeitlosigkeit auf. So sind die Karpfen seit Hunderten Jahren hier geschwommen. So still. Ein zerfledderter, abgegriffener Hartkarton mit aufgedruckten Fischspezies aus
Mitteleuropa lehnt am Becken. Wie ein Suchbild.
Kühlschrank des Klosters
Der Karpfen ist seit der Antike ein beliebter Speisefisch, der häufig in Fischteichen angezogen wird. Die Fischteiche des Klosters
Kremsmünster sind einige Kilometer außerhalb und heißen Schacherteich und Guntherteich. Im Wassergraben des Klosters gibt es eine kleine Forellenpopulation hauptsächlich für die Klostertaverne.
Ein Mal im Jahr werden die Teiche abgefischt. Schacherteich und Guntherteich zu Allerheiligen in Form eines richtig großen Volksfestes. Was nicht gleich direkt aus den Netzen verkauft wird, gelangt in den „Kühlschrank des Klosters“, in den Fischkalter. Und das reicht für lange Zeit. In früheren Zeiten war der Kalter eine Notwendigkeit und nützliche Quelle der Ernährung. Schließlich waren einige Hundert Menschen zu verköstigen. Heute ist das anders. In Zeiten der dichtmaschigen Nahversorgung und Zustelldienste hat sich die Fischzucht zu einem Spezialistentum gewandelt. Die Menschen aus der Umgebung wissen es zu schätzen. Und die Mönche auch. Wenn ein hauseigener panierter Karpfen mit Erdäpfelsalat auf den Teller kommt.
Es gibt kein Entkommen
Nicht jedes Kloster, das an einem Gewässer liegt, hat einen Fischkalter. Ausschlaggebend für diesen kulinarischen und kunsthistorischen Glücksfall ist schlicht das viele Wasser um das Stift herum. Es sprudelt und gurgelt allerorts um das Kloster. Aus Rinnsalen, Kanälen, Gullies und Bächen. Die Gegend ist gesegnet von Nass. Das Wasser scheint vom Stift wie ein Schwamm angezogen zu werden und fließt hier nach eigenen hydrologischen Gesetzmäßigkeiten.
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