So kommen wir dem Traum einer Reise auf charmante Weise näher. Das Schöne daran: Unsere Fantasie wird beflügelt, denn wir erhalten den Eindruck von Perspektiven, die im wahrsten Sinne des Wortes überdrüber sind.
Die Stadt als Planet
Wer hat jemals das Kolosseum in Rom so gesehen? Als „Kugelpanorama, ein Stilmittel von AirPano, das vor allem eine Leidenschaft des Gründers Oleg Gaponyuk ist. Auf diese Art schaut jede Stadt und jede Landschaft wie ein eigener Planet aus. Dabei wäre dieses Bild wegen eines Missgeschicks fast nicht zustande gekommen. Die Crew ist zwar gewohnt, vor jeder Arbeit möglichst perfekt zu planen, zu organisieren und vorbereitet zu sein, doch in Rom vergaß einer der Fotografen den Rucksack im Zug. Kreditkarte, Führerschein und die 3.000 Dollar teure Kamera waren weg – und keiner glaubte daran, was dann geschah: Der Rucksack tauchte wieder auf, alles war unversehrt geblieben – auch die gesamte Ausrüstung.
„Ich bin bereit für ein gutes Bild ans Ende der Welt zu reisen“, beschreibt Oleg Gaponyuk seine Leidenschaft für Fotografie, die er seit 15 Jahren betreibt. 2009 traf er zudem die Entscheidung, seinen Bildern das Fliegen zu lehren. Denn die Sicht auf die Welt vom Boden aus hatte für ihn an Reiz verloren: „Wenn man das Stativ aufstellt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Füße direkt in dem Abdruck landen, den das Stativ des vorigen Fotografen hinterlassen hat.“ Es ging um neue Perspektiven.
Als die Bilder fliegen lernten
Die Sehnsucht, neue Sichtweisen auf die Welt als Bilddokument festzuhalten gibt es wohl, seitdem fotografiert wird. Zur Erinnerung: 1826 entstand die erste Fotografie, die dauerhaft Bestand hatte. Vielleicht sogar der erste Versuch einer Landschaftsfotografie. Es zeigt den Blick aus dem Fenster des französischen Erfinders Joseph Nicéphore Niépce. Die Belichtung dauerte acht Stunden.
Rund sechzig Jahre später lieferte ein Pionier der Luftbildfotografie Aufnahmen von oben: Mithilfe eines Drachens aus Papier, Holz und Schnur lichtete der Fotograf Arthur Batut seinen Heimatort Labruguière ab; dann fertigte er eine 70-seitige Anleitung an, mit der sich jeder einen Drachen samt Kamera zimmern konnte. Gleich auf 17 Drachen setzte etwas später der amerikanische Fotograf George R. Lawrence. Er brauchte sie, um seine 22 Kilogramm schwere Panoramakamera in über 600 Meter Höhe zu ziehen. Sein Bild von San Francisco erinnert daran, dass nicht immer alles schön ist, was man aus dem Höhenflug heraus sehen kann: Seine Fotografie zeigte das Ausmaß der Erdbebenkatastrophe im April 1906. en ist, lernt das ein oder andere Grätzel völlig neu kennen.
Heute kommen Drohnen statt Drachen zum Einsatz. Und ihre Aufnahmen bestechen vor allem durch Symmetrie. Städte von oben erinnern an kunstvolle Mosaike, Landschaften an Malerei. Sehen wir die Bilder, können wir nicht erkennen, ob die Bedingungen optimal waren oder nicht. So erlebten die AirPano-Fotografen Irland als wunderschöne Landschaft doch „die Lichtverhältnisse waren nicht perfekt“. Und das quirlige Paris als sehr entspannte Stadt. Ohne Stau, mit halb leeren Straßen, freien Parkplätzen, perfekt für die Arbeit mit der Drohne. Die Pariser hatten die heiße Stadt im August verlassen.
Als AirPano mit seinem Projekt begann, war das gesteckte Ziel aus heutiger Sicht recht bescheiden: die hundert schönsten Orte der Welt zu fotografieren. Dabei sahen die Fotografen der Crew die Welt von Beginn an mit anderen Augen. So anders und eindrücklich, dass die Abenteuerlust und Freude daran kein Ende nahm.
Bis heute sind 13.000 Bilder aus der ganzen Welt zusammengekommen, das Ergebnis der Arbeit von mittlerweile elf Fotografen. Bildbände und die Website der Gruppe zeigen die Vielfalt der Landschaften, Städte und Meere dieser Welt. Derzeit sind die Fotoprojekte für Gaponyuk und sein Team auf Russland begrenzt. „Ich bin froh, dass wir die Möglichkeit hatten, die Europabilder zu machen, wegen der Pandemie können auch wir derzeit nirgendwo hinreisen“, so Fotograf Sergey Rumyantsev, der für die technische Ausrüstung verantwortlich ist. Die meisten der Bilder wurden mit Drohnen fotografiert.
Die Arbeit mit dem unbemannten Fluggerät, aber auch an Bord von Hubschraubern, ist längst tägliche Routine. Einige der Drohnenbilder sind noch vor den verschärften EU-Richtlinien 2017 entstanden, also noch vor Inkrafttreten strenger Vorschriften und Regelungen für die Benutzung unbemannter Luftfahrzeuge. So sei es heute „sehr schwierig, in manchen Fällen sogar unmöglich vergleichbare Bilder zu schießen“. Eine Arbeit, die viel Verantwortung der Fotografen erfordert und nur mit Genehmigung und Fachausbildung möglich ist. Natürlich seien Luftaufnahmen heikel, meint Rumyantsev, besonders über der Stadt. „Aber wir haben hart gearbeitet und hatten Glück, dass nichts passiert ist, als wir diese Bilder aufgenommen haben.“
Wie lange AirPano für das Foto über Schönbrunn gebraucht hat? „Ein paar Minuten“, heißt es cool. Kaum zu glauben, wenn man per QR-Code im Buch oder auf der Website virtuell die Bundeshauptstadt im 360-Grad-Panorama überfliegt – und staunt, wie lange man selbst das Überdrüber-Gefühl genießen möchte. Selbst wer in Wien geboren und aufgewachsen ist, lernt das ein oder andere Grätzel völlig neu kennen.
Kommentare