Doch Le Corbusiers Cabanon ist nicht das einzige Architekturjuwel, das hier glänzt. Auf Cap-Martin findet sich ein Cluster von Meisterwerken der architektonischen Moderne, der von den Franzosen seit einigen Jahren unter der Marke Cap Moderne vermarktet wird. Gleich unterhalb der Cabanon leuchtet die legendäre Villa E-1027 von Eileen Gray im gleißenden Sonnenlicht – wie ein weißes Schiff, das am Steilhang festgezurrt ist. Jedes Detail hat die irische Designerin selbst entworfen und es ist großartig. Funktionale Einbaumöbel aus edelsten Materialien, raumhohe Fenster, ein Genuss. Von der Terrasse aus eröffnet sich der Blick auf die Bucht von Monaco vis-à-vis. Le Corbusiers Unités de Camping, fröhlich-bunte Gästehäuser, sowie das ehemalige Restaurant L’Étoile vervollständigen den Cap-Moderne-Mix.
Wer bei der Côte d’Azur nur an Brigitte Bardot, Cannes oder Saint-Tropez denkt, beschränkt den Blick auf dieses schöne Stück Erde unverdientermaßen. Denn die ikonische Küste der Reichen und Schönen ist auch eine der Kreativen. Der Maler und Bildhauer, der Architekten und Literaten, die im betörenden Licht Südfrankreichs zu Hochform aufliefen. Pablo Picasso, Henri Matisse, Joan Miró, Pierre Bonnard, Marc Chagall, Jean Cocteau, Le Corbusier. Sie alle haben Spuren hinterlassen. Gut hundert Museen gibt es entlang der Küste.
Ein guter Start für die Erkundung dieses kunsthistorischen Erbes ist der malerische Ort Menton. Schon Kaiser Franz Joseph weilte mit Sisi hier – viele europäische, englische und russische Aristokraten auch. Das Städtchen am östlichsten Ende der Côte war wegen des angenehmen Klimas und romantischen Settings ein Lieblingsort des Hochadels. Pompöse Grabmäler am Cimetière du Vieux Château zeugen davon. Der Friedhof liegt auf dem höchsten Punkt der Stadt – mit atemberaubendem Blick.
Später im 20. Jahrhundert fand Jean Cocteau in Menton seinen Sehnsuchtsort. Der Maler, Dichter und Filmemacher verbrachte hier viel Zeit, was sich in den Sehenswürdigkeiten der Stadt manifestiert. An der Promenade ist das modernistische Musée Jean Cocteau nicht zu übersehen, ein Stück entfernt, in der Bastion, einem mittelalterlichen Turm, sind weitere Arbeiten von ihm zu sehen. Und im Rathaus von Menton gestaltete er die Salle des Mariages, den Hochzeitssaal. Paare aus aller Welt lassen sich dort trauen – der Blick auf die in Hellblau und Sonnengelb getauchten Liebenden soll Glück bringen.
Schließlich kommen hier auch Feinschmecker auf ihre Kosten: Der Spitzenkoch Mauro Colagreco belegt mit seinem Restaurant „Mirazur“ einen festen Platz auf der Liste der 50 weltbesten Restaurants. Wer nicht so eine dicke Brieftasche – und Geduld, dort einen Platz zu ergattern – hat, kann in Colagrecos Pizzeria am Kai ausweichen. Dort ist alles leistbarer und das Essen ist auch hervorragend.
Nächste Station der Kunst-Tour ist Saint-Paul-de-Vence. Etwas außerhalb des Ortes befindet sich in einem weitläufigen Park die Fondation Maeght: Mitte der Sechzigerjahre vom Galeristen- und Verlegerpaar Aimé und Marguerite Maeght eröffnet, beherbergt sie eine der größten Sammlungen von Kunst des 20. Jahrhunderts. Schon im Außenbereich versetzen den Besucher Skulpturen von Giacometti bis Miró in Verzückung. Im Inneren des Gebäudekomplexes, der vom katalanischen Architekten Josep Lluis Sert gestaltet wurde, erhält der Besucher einen tollen Überblick über die Granden der Moderne: Kandinsky, Calder, Chagall, Léger, Soto, Tapiès.
Von Saint-Paul-de-Vence sind es nur 25 Kilometer bis Nizza, wo sich direkt an der langen Promenade des Anglais das Musée Massena befindet. In dem 1921 eröffneten Museum ist Kunst bis zum Ende der Belle Époque sowie die Kunstgeschichte der Côte d’Azur zu sehen. Ein prachtvoller Eyecatcher mit seiner backsteinroten Fassade ist das Musée Matisse. Die permanente Kollektion des Museums enthält viele Werke, die Matisse, der von 1917 bis zu seinem Tod im Jahr 1954 in Nizza lebte, dem Museum überlassen hatte, sowie Donationen der Erben und des französischen Staates – darunter 68 Gemälde und Gouachen, 57 Skulpturen und 14 von Matisse illustrierte Bücher sowie 95 Fotografien. Noch eine kleine Anregung: Das Musée Massena liegt direkt neben dem Hotel Negresco. Perfekt für einen kurzen Abstecher in die honorige Bar und in noblem Ambiente einen Negroni oder Martini Cocktail genießen? Was für ein todschickes Vergnügen.
Wer die recht mühsame Fahrt über die meist übervolle Küstenstraße nicht scheut, dem sei noch ein Abstecher nach Saint-Tropez empfohlen. Bei der weltberühmten Gendarmerie rechnet man jede Sekunde damit, dass Louis de Funès in sandfarbener Uniform feixend in sein Goggomobil steigt. Die Gendarmerie ist heute ein Museum, in dem alles über die berühmten Filmeinsätze zu sehen ist. Schon erstaunlich, wie ein Mann einen Ort so berühmt machen kann (abgesehen natürlich von der Bardot).
Den würdigen Abschluss der Côte-Tour bildet ein Besuch im legendären Café Le Sénéquier mit Blick auf die Jachten der Hautevolee, die sich in Saint-Tropez noch immer sichtlich wohlfühlt. Auch wenn die Drinks sauteuer sind, sie sind es wert: Für die Zeit, bis das Glas leer ist, darf man sich dort als VIVFA fühlen: Very Important Visitor from Abroad.
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