Regenumarmungen

Regenumarmungen
Ein Unwetter, das in der Puszta wütet. Die Angst vor dem wackeligen Heizstrahler ist noch größer als die vor den Naturgewalten.

Budapest. 4 Uhr am Morgen. Treffpunkt Hotellobby. Schlaftrunken trabe ich meinem Fahrer nach, der mich zum Dreh eines TV-Werbespots bringt. Es ist noch dunkel. Die schöne ungarische Landschaft, die sich vor meinem verschlafenen Auge erstreckt, kann ich dennoch gut ausmachen, weil sie durch gewaltige Blitze erleuchtet wird. Bei meiner Ankunft am Set interessiert niemanden, dass ich Angst habe vor dem wütenden Unwetter, das sich durch die Puszta zieht: Make-up und Haare werden zurechtgemacht, während ich in dem provisorisch aufgestellten Zelt, an dem der Wind rüttelt, in Decken gewickelt an einem wärmenden Tee schlürfe.
Mittlerweile hat der Regen überhand gewonnen und beunruhigend viele kleine Bächlein in mein Zelt geschickt. Mein Blick wandert vom gatschigen Erdboden zurück auf den wackeligen Heizstrahler, der zusammen mit einem brummenden Elektrogenerator in mein Zelt gestellt wurde. Wirklich gut gemeint, aber ... Hinter meiner sorgenvollen Stirn bauen sich Horrorszenarien auf. Wie war doch gleich die Geschichte, die man sich unter Models gerne erzählt: „Yeah ... dieses eine Fotoshooting in Miami, bei dem alle Models, die im Pool posierten, starben, als eine Lampe in den Pool fiel.“
So viel versteht man dann als Model ja doch von Physik und Elektrostatik. Die orange leuchtenden Glühdrähte des wenig Vertrauen erweckenden Heizstrahlers halte ich mit angestrengtem Blick unter Kontrolle. Eine Assistentin stolpert in Gummistiefeln ins Zelt, hält einen Schirm bereit: „Sophie, wir sind bereit!“ Liebevoll werde ich noch in eine Regenjacke gepackt – und ins Unwetter hinausgeschickt.
Die wärmende Jacke konnte noch nicht ihre Wirkung entfalten, als der schwedische Regisseur mir diese schon wieder auszog, ein mächtiger Blitz erhellte das Set: „Runter mit der Jacke, Sophie! Du brauchst keinen Regenschutz. Ich will deine Haare nass. Umarme den Regen! Umarme ihn einfach!“
Drei Stunden lang umarme ich mit freudigem Gesichtsausdruck den Regen, im TV-Spot sieht man von meiner Sturmtaufe gerade mal eine Millisekunde. Aber immerhin merkt man mir die Panik nicht an. Let’s call it Glamour.

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