Quentin Tarantinos neuer Kassenschlager: Ein Date mit Sharon Tate
Es begann so harmlos – und sollte schrecklich enden. Das Drama von Sharon Maria Tate aus Dallas, Texas, der süßen Tochter des US-Geheimdienstoffiziers Paul und seiner Frau Doris. Schon mit sechs Monaten stand das fotogene Baby im Rampenlicht. Putzige Fotos von ihr im rosa Strampelanzug reichten, um zur „Miss Tiny Tot“ gekürt zu werden. Und es wäre noch so viel mehr gekommen, wäre dieser Traum und der Traum aller Blumenkinder Kaliforniens von einem Leben voller Liebe, Frieden und Selbstverwirklichung, nicht 26 Jahre später so leidvoll beendet worden - von einem Verbrechen historischen Ausmaßes: den Morden der Manson-Family.
Schon Monate vor Veröffentlichung von Quentin Tarantinos neuntem Werk, wurde getuschelt, der kultige „Pulp Fiction“-Regisseur würde in seinem neuesten Streich zu sehr in Blut baden. Ist ja wahr, Zurückhaltung ist seine Tugend nicht. Aber die Befürchtung, „Once Upon A Time in Hollywood“ würde sich einzig in der tragischen Geschichte der Sharon Tate suhlen, traf nicht ein.
Tarantino überraschte - wie so oft. Viel mehr ist sein Film eine Hommage an das Hollywood der 1960er-Jahre, in dem er mit seiner alleinerziehender Mutter aufgewachsen ist – aber auch an Western und den von ihm verehrten Regisseur Sergio Leones. Dessen Klassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ heißt im Original „Once Upon a Time in the West“ und stellt einen von Tarantinos Lieblingsfilmen dar.
Tate und die Geschichte ihrer brutalen Ermordung vor 50 Jahren ist dennoch das, was den Film zum Gesprächsstoff und bisher meistbeachteten Film des Jahres gemacht hat.
Als Tarantino sieben Jahre alt war, verliebte er sich in Aufnahmen der damals gefragtesten Schauspielerin Hollywoods, nichts ahnend, dass er ihr irgendwann ein filmisches Denkmal setzen würde. Der bildhübschen Wirtstochter aus dem „Tanz der Vampire“, dem naiven Landei aus dem „Tal der Puppen“. So viel hätte sie noch erreichen können. Oscars, Goldene Palmen, alles. Tarantino wollte einen flüchtigen Blick auf Tate vor dem Mord zeigen, „damit sie in ihr mehr sehen als ein Opfer“.
Tarantino und seine Tate
So begleitet man die Schauspielerin im Film durch ihren Alltag. Eine dieser Szenen schildert auch Ed Sanders, damals Mitglied der Underground-Band The Fugs, im Buch „The Family“: „In den Tagen vor ihrem Tod wurde Sharon in der Stadt beim Einkaufen von Babysachen gesehen. Sie war überglücklich, freute sich auf ihr Baby. Sie machte Schwangerschaftsgymnastik, kaufte Bücher über Kinderpflege und Sachen für das Kinderzimmer.“ In dieser Tonart zeigt auch Tarantino seine Nebenrollen-Tate und rückt die Morde für Momente in den Hintergrund: „Ganz ehrlich, ich hätte den Film schon fünf Jahre früher beenden können. Aber ich habe ihn ständig zur Seite gelegt, weil ich mich fragte, ob ich die Manson-Family in meinen Kopf lassen soll. Ich war kurz davor, das Projekt abzubrechen, weil ich sie nicht in meinem Leben wollte.“
Die hochschwangere Tate, damals 26 Jahre alt und mit Roman Polanski, dem damals heißesten Regisseur Hollywoods verheiratet, wurde bei einem Einbruch in das gemietete Haus des Paares am Cielo Drive 10050 in Bel Air getötet. Polanski befand sich zu diesem Zeitpunk in London. Vier Freunde des hochschwangeren Stars kamen ebenfalls ums Leben, weil sie bei ihr auf Besuch waren. Die schrecklichen Vorfälle könnten Tarantino auch davon abgehalten haben, Polanski von seinem Vorhaben in Kenntnis zu setzen. So kam Polanski selbst auf seinen Kollegen zu. „Nachdem das Skript fertig war, hatte er Wind davon bekommen und mich über einen gemeinsamen Freund kontaktiert“, erinnerte sich Tarantino. Der teilte ihm mit, dass Roman wegen des Projekts nicht erbost, sondern einfach nur neugierig sei. Ein weiterer Freund Polanskis las schließlich das Skript gegen, da Polanski 1977 in den USA wegen Vergewaltigung (einer damals 13-Jährigen) unter Verwendung betäubender Mittel“ angeklagt wurde und die Staaten seither meidet.
Tarantino gab sich die Legitimation für seinen Film ohnehin selbst: „Wir reden hier von einer unfassbaren Tragödie, was Roman Polanski betrifft, von einer unfassbaren, persönlichen Tragödie. Aber die Geschichte von Tates Tod ist darüber hinaus von historischer Bedeutung. Deshalb wollte ich nicht um Erlaubnis fragen.“ Tates Persönlichkeit recherchierte Tarantino ebenfalls nicht über Polanski, sondern mit Hilfe von Zeitungsartikeln und Literatur. So eröffnete sich ihm das Bild einer unaffektierten Schönheit, die jeder mochte. „Sie scheint ein unglaublich herzlicher Mensch gewesen zu sein“, berichtet Tarantino. „Egal, ob Freunde oder Bekannte: Sie alle sagen dasselbe über sie: Tate war der Inbegriff von Freundlichkeit und Gutmütigkeit. Das klingt zu gut, um wahr zu sein, aber nachdem ich all das über sie gelesen hatte, kam ich zu dem Entschluss: Ich glaub' daran!“
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